Gaia-Percussion

Reisen

Ghana 2012

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Der, der das Wasser holt, macht am wahrscheinlichsten den Krug kaputt.
ghanaisches Sprichwort

16.8.2012
Ich glaub, mein Bett wird immer härter. Auf der Schilfmatte liegen dünne selbstaufblasbare Isomatten. Bei meiner ist leider das Ventil kaputt und die Luft zischt raus. Selten habe ich mich so auf das Weckerklingeln gefreut.
Als erstes steht heute das große Wäschewaschen auf dem Plan. Wir bekommen eine große Schüssel und zwei Eimer. Gegen die roten Verfärbungen und Flecken von der afrikanischen Erde haben wir zwar keine Chance, aber wenigstens ist alles wieder frisch. Nach dem Frühstück beobachten wir, was es heute Abend zu essen geben wird. Vor dem Haus ist eine kleine Vertiefung gegraben. Abdallah gießt einen Schluck Wasser hinein, dann hält Amerika ein Guineafowl bereit, dem Abdallah die Halsschlagader öffnet und es in das Loch ausbluten lässt. Amerika schließt das Loch und wenig später liegt das Federvieh schon fertig gerupft in der Kochschüssel.
Abdallah braucht noch etwas Zeit für seine Familie, deshalb fahren wir erst einmal ohne ihn zum Tengzu Schrein in die Tongohills. Er meint, Orlando würde sich um uns kümmern. Das Wetter ist heute sehr anstrengend; es ist bedeckt, aber heiß und die hohe Luftfeuchtigkeit drückt auf den Kreislauf. Aber wir halten tapfer durch und werden mit einem tollen Erlebnis belohnt. Schon auf dem Weg bewundern wir faszinierende Felsformationen. Die riesigen Steinbrocken sehen aus, als hätte sie jemand aufeinander gestapelt.
Am Touristoffice treffen wir wir unseren Guide. Ich frage ihn nach Orlando - ja, er kennt Orlando, aber sein Name ist Ernest. Er führt uns zuerst zu einer Felsenhöhle, in der früher eine Schule untergebracht war, dann besuchen wir den Chief in seinem Palast, der allerdings unserer Vorstellung eines Palastes nicht entspricht. Der Tradition folgend steigen wir auch ihm aufs Dach und sehen von oben die Hütten aller seiner 80 Frauen, außerdem eine Solaranlage zur Stromherstellung und die passende Satellitenschüssel.
Der Schrein ist in einer Höhle hoch oben im Berg; da müssen wir jetzt hinauf klettern. Zum Glück haben wir die richtigen Schuhe an. Unser Guide bewältigt den Weg in Flip-Flops. Vor der Höhle treffen wir auf drei deutsche Frauen in Warteposition, denn die Männer aus ihrer Gruppe sind gerade an der Reihe. Wir schicken Wolfgang also schnell hinterher und beginnen langsam uns vorzubereiten, das heißt wir ziehen Schuhe, Strümpfe und Oberteil aus, denn das ist die Bedingung für den Einlass: Oberkörper und Füße dürfen nicht bekleidet sein. Als die Männer zurück kommen, sind wir also startbereit und klettern den Berg weiter hinauf. An einer Stelle stehen wir plötzlich inmitten von Felsen und wissen nicht weiter. Es ist nirgendwo ein Weg zu erkennen. Auf unser fragendes Rufen hin kommt uns der diensthabende Erklärer entgegen.
Wir müssen einen recht glatten hohen Felsen hinauf steigen - keine Ahnung, wie wir das schaffen, geht eigentlich gar nicht - dann auf allen Vieren unter einer Felsendecke entlang kriechen bis wir letzten Endes fast ganz flach liegen müssen, um in den Schrein sehen zu können. In einer Vertiefung sitzen die Wächter mit vielen Kalebassen und Federn der geopferten Tiere. Auch wir könnten hier ein Problem lösen oder einen Wunsch erfüllen lassen. Da wir aber gerade kein Huhn dabei haben, geht das jetzt nicht. Zum Glück ist der Felsen nach einer Seite offen, sonst würde ich hier sicher Platzangst kriegen.
Ich bin so froh, als ich meine Schuhe wieder anziehen kann. Barfuß durch Afrika - das ist mir nicht geheuer! Auf dem Rückweg sollen wir beim Hinabklettern auf die rutschigen Steine achten - für uns kein Problem mit den guten Wanderschuhen! Am Touristoffice ist der Treff mit Abdallah geplant. Er musste aber nach Bolgatanga fahren, um unsere morgige Übernachtung zu reservieren, weil er telefonisch niemanden erreicht hat, und verspätet sich deshalb ein bisschen. Wir haben keine Lust, wartend herum zu sitzen und laufen schon mal los - ihm entgegen. Das war eine tolle Entscheidung.
Wir können unterwegs diese unglaubliche Landschaft so direkt genießen. Als ich auf der Straße über etwas drüber stolpere, drehe ich mich um und stelle erschreckt fest, dass es lebt. Ein chamäleonartiges Tier war so gut getarnt, dass ich es wirklich nicht gesehen hatte. Als der Prinz uns im Bus entgegen kommt, steigt er aus und läuft mit uns gemeinsam. War er uns diesmal zu erzählen hat, sind ganz schlimme Geschichten über die Zerstörung dieser Naturschönheiten und seinen entschiedenen Kampf dagegen. Er nutzt dabei ein wunderbares Gleichnis: Die Menschen, die sich vom schnellen Geld blenden lassen, sollen ihre Holzbrille abnehmen und sich anschauen, was ihr Handeln für Folgen hat.
Am Fuße des Berges baut Prince Abdallah gerade ein Restaurant. Es wächst in jedem Jahr um etwa 4 Steinreihen. Mehr kann er sich nicht leisten und er lässt es ruhig angehen. Aber seine vorausschauenden Pläne sind bemerkenswert. In einigen Jahren soll genau gegenüber das Touristenzentrum entstehen, dann können die Leute auf dem Weg zum Schrein in seinem Restaurant einkehren, etwas trinken, vielleicht auch etwas essen und sich dann für die Tour ein Fahrrad leihen. Was uns immer noch nicht klar ist: Wer und wo ist Orlando? Die Erklärung ist einfach: Das ist doch nur ein weiterer Name für Emanuel, unseren Fahrer. Darauf soll man nun kommen!
Zu Hause gibt es wieder leckere Obstsnacks und Kaffee bzw. Milo. Wie immer bringt uns das Mädchen Kupra alles, was wir brauchen. Wir fragen Abdallah, warum sie so ernst ist und kaum einmal lächelt. Da erzählt er uns ihre Geschichte: Ihr Vater war sein älterer Bruder Mustafa, der sehr krank war, aber niemandem von seinen Beschwerden erzählt hatte. Erst als es zu spät war, erfuhr Abdallah davon und brachte ihn ins Krankenhaus, wo er aber wenige Tage später starb. Seine Frau, Kupras Mutter, starb ein Jahr später.
Seitdem lebt die Kleine bei Abdallah. Ihre Eltern wurden vor dessen Haus beigesetzt und so sind die beiden immer in ihrem Leben dabei und präsent. Am liebsten hält sie sich auf dem Grab auf und ihre Freunde sind dabei um sie herum. Unter ihnen ist auch einer der Landlords - heute in zivil. Dann wird unserm Abdallah der Kopf geschoren - einfach nur mit einer Rasierklinge - und ein kleines Stipselchen bleibt stehen.
Wir halten es natürlich nicht den ganzen Nachmittag auf einem Stuhl aus. Deshalb wandern wir nach dem Kaffeetrinken los zu zwei ganz besonderen Baobab-Bäumen, die uns Abdallah von weitem beim Vorbeifahren gezeigt hat. Der erste ist toll - ein bemerkenswerter Baum mit dickem Stamm und weitem Blätterdach.
Der zweite ist unglaublich, unbeschreiblich - wir stehen davor und sind sprachlos, fassungslos, wie ein Baum - eine Pflanze - dermaßen ergreifend sein kann. Seine Größe, seine Äste, seine Wurzeln - wir versuchen dies irgendwie auf Fotos festzuhalten, aber das ist natürlich nicht machbar. Vollkommen ergriffen, immer noch fasziniert und beeindruckt, wandern wir zurück. Für eine geraume Weile können wir nichts weiter sagen, als BOAH, WOW, GROßARTIG!
Und in dieser Stimmung kommen wir an unserer Bar an, kaufen die obligatorischen 6 Bier zum Mitnehmen für heute Abend und zwei wollen wir gleich trinken. Wir beide - zwei weiße Frauen - mit zwei Flaschen Bier auf dem Hof der hiesigen Bikerkneipe. Es kommen natürlich nur Männer her und die sind alle so cool, dass wir uns wohler fühlen, als es in einer deutschen Bikerkneipe jemals denkbar wäre und wir merken, dass wir genau die richtigen Wendungen gelernt haben: Hallo, wie geht's? (La'a walla?), Mit geht's gut. (La'a summa.), danke (mbo'ya) und prost (bosowe). Trotzdem müssen wir ja irgendwann wieder zurück.
Es dämmert inzwischen und die Männer - der Guitarman, Wolfgang, Abdallah und Amerika - sitzen auf dem Dach einer der Hütten. Wir sind schon "belehrt" worden, dass dies zwar nicht gefährlich aber mit Vorsicht zu betreten sei, weil es gerade dabei ist einzustürzen. Natürlich klettern wir trotzdem mit hoch und setzen uns wie die anderen ganz an den Rand. Aber als der Guitarman beginnt, sich in Ekstase zu spielen und auf dem Dach herum zu stampfen, fängt es bedenklich heftig an zu vibrieren und wir bremsen schnell seinen Enthusiasmus.
Zum Abendessen, das es wieder auf festem Boden gibt, schwimmt unser Guineafowl gemeinsam mit ein paar Fischen in der Soße. Okrafrüchte (sehen ungefähr aus wie Minizucchinis) sorgen für leichte Schleimfäden. So sieht das Ganze nicht wirklich lecker aus, schmeckt aber gut. Dazu gibt es eine Fufu-ähnliche Beilage - sieht ein bisschen aus wie ein Grießbreiball.
Kupra hat sich in Ini verliebt; sie sitzt auf ihrem Schoß und die beiden schauen sich unsere Urlaubsfotos an. Der Guitarman spielt weiter auf und die ersten Tänzer legen los. Weil Abdallah gern mittanzen möchte, braucht er jemanden, der das Baby Tauwa von seinem Arm übernimmt - mach ich doch glatt. Und dann rettet Wolfgang meine Nacht. Er hat Tesaband, mit dem ich meine Isomatte reparieren kann. So schlafe ich abgesehen von dem regelmäßigen Hahnengeschrei richtig gut.
 
zum 17.8.

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