Gaia-Percussion

Reisen

Ghana 2012

Planung ˡ KASAPA ˡ Nordtour

Every sweet dress has a pocket.
ghanaisches Sprichwort

3.8.2012
Die Aufregung hält sich in Grenzen (wir sind eben inzwischen erfahrene Reisende). Andreas bringt uns zum Dessauer Bahnhof. Im Autoradio hören wir "Africa" - wie soll es auch anders sein. Auf der Fahrt nach Frankfurt steigen wir in Leipzig um - haben in beiden Zügen gute Sitzplätze, können unsere Reise also ganz entspannt beginnen.

Die Maschine ist relativ klein, aber mit ca. 220 Passagieren ausgebucht. Das Unterhaltungsprogramm an Bord (Filme, Fernsehserien, Dokus) gibt es zum Glück größtenteils auf deutsch. Ini entscheidet sich für den Kinohit "Die Tribute von Parnim" und ist wenig begeistert. Da war meine Wahl wohl besser - ich sehe Reportagen über Rasputin und die Terrakotta-Armee im chinesischen Xian. Zwischendurch gibt es Getränke (auf Anfrage sogar Campari-Orange), Essen (Hühnchen mit Kartoffeln, Gemüse und Salat, Kuchen, später noch ein Chicken-Sandwich, das aber eher an einen sehr scharf gewürzten vegetarischen indischen Wrap erinnert) und Schlaf.
Der Flughafen in Accra ist viel moderner und organisierter als noch vor 7 Jahren. Wir werden von Milizionären an unsere Passbearbeitungsschalter gewiesen, die gut aufpassen, dass wir die rote Linie nicht überschreiten. Und nachdem wir ein Foto und alle 10 digitalen Fingerabdrücke hinterlassen haben, dürfen wir den ghanaischen Boden jetzt rechtmäßig betreten. Hurra! Unser Gepäck ist auch da, nur leider unser Abholer noch nicht. Es ging einfach alles viel zu schnell. Wir sind schon erst einmal froh, dass wir nicht von so einer riesigen Meute Einheimischer empfangen werden, die mit Koffertragen ihr Geld verdienen wollen. Dennoch sprechen uns natürlich Taxifahrer an. Da wir aber auf einen Freund warten, lassen sie uns auch gleich wieder in Ruhe. Ein netter junger Uniformierter bietet uns an, im KASAPA anzurufen. Wir warten aber lieber noch ein bisschen. Er meint, wenn wir Hilfe brauchten, sollten wir NUR ihn ansprechen, er würde sich dann um uns kümmern. VERSPROCHEN! Aber es dauert nicht lange, da kommt Bismark im wohlbekannten KASAPA-T-Shirt. Die Fahrt nach Nyanyano ist nicht ganz so anstrengend wie vor 7 Jahren, weil alle Baustellen fertig sind - aber trotzdem sehr lang und staubig. Relativ spät kommen die Straßenhändler an den roten Ampeln - ich hätte sie schon beinahe vermisst - aber selbst, wenn wir etwas wollten - wir haben ja noch keine Cedis - geht es also sowieso nicht.
Susanne erwartet uns in KASAPA. Auch Wolfgang, unser Reisecompagnon, ist schon da. Das abendliche Gespräch bei kühlem Bier für uns und Rotwein für die beiden beenden wir aber recht schnell. Wolfgang will morgen früh auf Fototour und wir sind geschafft und müde von der Reise.
KASAPA ist noch fast so, wie wir es kennen. Es sind nur einige Solarleuchten hinzu gekommen. Zwei davon stehen in unserem Zimmer - trotzdem müssen wir auf die vertrauten Kerosinlampen nicht verzichten (diesmal sind wir aber beleuchtungstechnisch auch besser ausgestattet). In der Nacht gibt es einen GEMEINSAMEN Besuch der altbewährten Komposttoiletten - allein im Dunkeln? NEIN!!!
4.8.2012
Der Tag beginnt mit dem leckeren Frühstück, auf das wir uns schon gefreut haben: ein Breichen mit Honig und frischgebackenes (noch warmes) Brot mit Salat, Erdnussbutter, Ananasmarmelade oder einer scharfen Hefepaste, dazu Kaffee oder Tee. Da wir ja EIGENTLICH wegen typisch afrikanischer Kostüme für unsere Trommler hier sind, treffen wir uns dann nach einer anderthalbstündigen recht chaotischen Holperfahrt bei Kofis Schwester mit einer Schneiderin.
Adjua ist eine lustige hochschwangere junge Frau, die etwas von ihrem Handwerk zu verstehen scheint. Sie kommt mit uns zum Kaneshi-Markt, wo wir gemeinsam Stoffe aussuchen. Bei verschiedenen Händlern kaufen wir insgesamt 52 Yards und sind danach so geschafft, dass wir keine größere Marktrunde mehr wollen. Es hat sich auch nicht viel verändert - er ist genauso, wie wir ihn in Erinnerung haben. Es gibt alles: Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse und sämtliche Dinge des täglichen Bedarfs.
Bismark holt uns ab, der Weg nach KASAPA besteht fast ausschließlich aus "Stop and Go", Staus und Roten-Ampel-Schlangen. An einer Kreuzung wird der Verkehr durch Militärs geregelt, die, weil sie ein Schwätzchen halten, leider nicht dazu kommen, uns durch zu lassen. Das lässt Bismark erstaunlich ruhig. Ansonsten nutzt er jede Gelegenheit, an den anderen Wartenden vorbei zu fahren - ob auf der Stand-, der Gegenspur oder schon gefühlt in der Kanalisation - er kann die Breite des Busses wirklich gut einschätzen.
Hungrig und müde kommen wir im KASAPA an und fallen auf unsere Terrassenstühle. Ekow kommt, um die Kerosinlampen zu säubern und zu füllen. Bei der Gelegenheit fragen wir ihn nach den Früchten, die der Baum vor unserem Häuschen fallen lässt. Er erklärt uns, das sei der White Peanut Tree, weil die Früchte wohl erdnussähnlichen Geschmack hätten. Susanne meint aber später, sie würden aber eigentlich zur Familie der Mandelbäume gehören. Dann holt Ekow einen Hammer, um die Früchte zu zerschlagen. Bemerkenswerterweise isst er das erste Stück und nimmt uns so die Berührungsängste. Gegen den Hunger hilft es nicht und nach Erdnüssen schmeckt es auch nicht wirklich - aber es ist eine interessante Erfahrung.
Dann raffen wir uns doch noch auf, einen kleinen Strandspaziergang zu machen und finden gleich am Abstieg von KASAPA  eine tote Schildkröte inmitten von Plastikmüll - ein tragischer Anblick! Zum Abendessen gibt es eine Quiche mit roter Fleischsoße und Salat. Danach passt leider kein Bier mehr rein, also geht es gleich ab ins Bett und wir schlafen beide tief und entspannt bis zum nächsten Morgen.
5.8.2012
Vor dem Frühstück kommt Yomo mit einem Freund zu Besuch. Leider versteht er sehr schlecht, was wir sagen, was den Smalltalk auf englisch noch schwieriger macht. Wolfgang rettet uns - er hat sein Notebook mit und zeigt alte Fotos von gemeinsamen Erlebnissen. So können wir nach dem Frühstück unseren lang ersehnten ausgedehnten Strandspaziergang beginnen und wandern zuerst in Richtung Nyanyano, was uns aber nicht besonders gefällt. Als wir umkehren, werden wir von einer Kinderschar umringt, die unbedingt fotografiert werden möchte. Weil wir nicht wissen, was uns erwartet. lassen wir uns nicht darauf ein. Die Kleinen begleiten uns bis zurück zum KASAPA-Centre. Dort verabschieden wir uns und erst als wir sicher sind, dass sie den Heimweg angetreten haben, wandern wir weiter.
Vor 7 Jahren gab es am Strand schon viele Stellen, die eher Mülldeponien glichen; aber inzwischen ist fast der gesamte Strand mit Plastik- und Kleidungsabfällen übersät. An manchen Stellen ist es schon schwierig, einen Pfad hindurch zu finden (wir betätigen uns also als Pfadfinder). Diesmal sammeln wir nur die schönsten Muscheln. Nach einer guten Stunde beschließen wir vernünftigerweise umzukehren (manchmal ist Vernunft richtig doof), treffen Wolfgang, der die beiden weißen Frauen schon von weitem entdeckt hat und fotografiert (das Histogramm ist dabei am wichtigsten).
Zum Lunch teilen wir uns einen Obstsalat und ein Ei-Sandwich. Gut gestärkt machen wir uns auf den Weg nach Nyanyano. Zunächst marschieren wir in Richtung der Hauptstraße, wo uns Bismark aufgabelt und ein Stück begleitet. Dann biegen wir einfach irgendwann nach links ab und laufen in das benachbarte Fischerdorf hinein. Ständig haben wir das Gefühl, dass wir an aufgehängter Wäsche und eingeseiften Kindern vorbei den Leuten durch die Wohnung trampeln; aber alle sind sehr nett und scheinen sich kaum von uns gestört zu fühlen.
Da wir (wirklich zufällig!) die gleichen Sachen anhaben, werden wir oft angesprochen, ob wir Zwillinge wären - ja, natürlich! Nach einiger Suche - direkt vorbei an Räucheröfen und stinkenden Rinnsalen, umfangen von seltsamen Gerüchen und umgeben von einer Schar schmuddeliger Kinder, plötzlich aufgehalten von Fischern, die ihre Netze flicken und einen kleinen Plausch wollen - finden wir dann tatsächlich auch die anliegenden Fischerboote. Das ist genau das, was wir wollen. Das ist Afrika! Deshalb sind wir hier!
Einige einheimische Jugendliche drehen den Fotospieß um - SIE fragen UNS, ob sie uns fotografieren dürfen. Natürlich sind wir einverstanden und knipsen gleich kräftig mit.
Auf dem Rückweg befürchten wir gerade, uns verlaufen zu haben, als wir Sister Efua (Ekows Mutter) mit einer Freundin vor ihrem Haus sitzen sehen. Auch sie möchte unbedingt fotografiert werden und ihr tun wir den Gefallen natürlich sofort. Dann bestätigt sie uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nur einige Schritte weiter spricht uns ein Mann an, der im KASAPA als Security arbeitet und erklärt uns genau, wo entlang wir gehen müssen. So finden wir uns ohne weitere Probleme zurück und gönnen uns vor der morgigen Abfahrt zur großen Tour in den Norden noch eine ausgiebige kalte Dusche.
Zum Abendessen gibt es Reis mit der üblichen roten Soße, in der heute gebratene Hühnerbeine schwimmen. Leider müssen es sehr magere Tiere gewesen sein. Wir werden trotzdem satt und setzen uns zum Abschluss des Tages mit zwei Flaschen Bier auf unsere kerosinlampenbeleuchtete Terrasse (wir mögen den stinkigen Geruch), beobachten einige schöne Vögel im White Peanut Tree und als es dunkel wird, kommt Wolfgang noch kurz mit seiner Kamera und dem passenden Stativ, um in den Mond durch unseren großen Kaktus hindurch zu fotografieren. Die Taschen für die beiden kommenden Wochen sind fast fertig gepackt. Jetzt müssen wir nur noch gut schlafen.
6.8.2012
Wir wachen tatsächlich vor dem Handy-Wecker-Klingeln auf. Beim Frühstück hören wir einen Vogel rufen: Ka-kuku ka-kuku ka-ku - das ist unser Lolo-Trommelrhythmus, den uns Jens aus Ghana mitgebracht hat. Leider finden wir in KASAPA niemanden, der uns sagen kann, wie dieser Vogel heißt. Gleich nach dem Frühstück werden wir mit dem rituellen Gebetskreis auf unsere große Nordtour verabschiedet.
 

 

23.8.2012
Es regnet - Afrikas Himmel weint zum Abschied. Unsere Schneiderin Adjua ist da; sie hat es wirklich geschafft, all die bestellten Kostüme fertig zu nähen und sie gefallen uns richtig gut; bei einigen befürchten wir nur, dass sie ein wenig eng geraten sind. Daran können wir jetzt aber nichts ändern; das müssen wir zu Hause irgendwie zurecht basteln.
Besonders schwer fällt uns der Abschied von Abdallah. Auch für ihn muss es eine ganz besondere Tour gewesen sein, weil wir  gemeinsam "wie ein Mann" alle Komplikationen überstanden haben. Er hat seine Gedanken in einem Brief aufgeschrieben, den er uns jetzt vorliest. Wow - welche Energie, welche Kraft wir aus der Begegnung mit diesem Menschen mitnehmen, ist einfach unglaublich.
Als Abschiedssnack gibt es ein "Red red" (gebratene Kochbananen mit einer Soße aus weißen Bohnen - sehr lecker, aber leider auch recht fettig) und einen Obstsalat - viel zu viel für unseren armen Magen, der ja inzwischen spartanischeres Essen gewohnt ist - und dann endlich noch einen letzten Strandspaziergang.
Auch diesmal spricht Joana wieder das Abschiedsgebet im Kreis, zu dem wir mit Wolfgang, Susanne, Kofi, Ekow, Bismark und natürlich Abdallah zusammen gekommen sind. Wir bitten um eine gute Reise, eine sichere Heimkehr und ein baldiges Wiedersehen. Obwohl die Freude auf zu Hause überwiegt, ist es eine sehr wehmütige Verabschiedung. Sicher haben uns gerade all die Probleme auf unserer Reise, die es zu bewältigen gab, so zusammen geschweißt, dass wir uns nie vergessen werden und auf jeden Fall in Kontakt bleiben wollen.
Bismark bringt uns zum Flughafen. Unterwegs fällt uns noch eine schöne Scherzerweiterung zum Postoffice ein, weil einige Straßenverkäufer Toilettenpapier anbieten - dies wird wohl demnächst bei uns Briefpapier heißen.
 
24.8.2012
Dass in Deutschland unsere Pannenserie gleich noch ein bisschen weiter geht, stört uns wenig. Als es kurz vor Magdeburg Probleme mit der Signalanlage gibt und wir deshalb 25 Minuten Verspätung haben, ist klar, dass wir unseren Anschlusszug in Köthen nicht schaffen werden. Wir rufen Andreas an, der auch gleich los fährt und uns vom Bahnhof in Köthen abholt.
So kommen wir gut nach Hause und haben uns viel von unseren Urlauben zu erzählen. Andreas hatte in Brasilien Luxus pur und kann gar nicht so richtig glauben, dass uns unsere vollkommen gegensätzliche Ghanatour wirklich gefallen hat.

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