Gaia-Percussion

Reisen

Russland 2014

Moskau ˡ Tula ˡ St. Petersburg

Januar ˡ Februar ˡ März ˡ April ˡ Mai ˡ Juni ˡ Juli

Alles ist gut, was gut endet.
russisches Sprichwort

1.3.2014
Russland feiert Maslenitza - den Gegensatz zu unserem Karneval, das Fest, mit dem der Winter vertrieben und zum Ende in Form einer Maslenitza-Puppe verbrannt wird. In der Innenstadt herrscht auf dem Kusnetzki Most ein buntes Treiben, von dem wir uns bei strahlend blauem Himmel und herrlichem Sonnenschein gern vereinnahmen lassen; wir trinken heißen Medowucha (Honigbier) und haben leider noch keinen Hunger auf die leckeren Blinis (Crepes), die an vielen Ständen verkauft werden.
Mit der Metro geht es weiter in einen unserer Lieblingsparks nach Kolomenskoje. Auch hier reihen wir uns in eine Menschenmenge ein, die Party ist aber bei weitem nicht so gelungen. Die Betreiber der Blini-Stände sind hoffnungslos überfordert mit den erstaunlicherweise geduldig wartenden Massen. Von einer Bühne locken Schamanengesänge mit Trommelklängen. Leider sind genau gegenüber mehrere Boxen aufgebaut, die der Band lautstarke Konservenmusik entgegenknallen. Wir verziehen uns in ein großes Zelt zum Honigmarkt, kosten uns hier durch die verschiedenen Sorten und entscheiden uns heute für Melissenhonig. Die Medowucha-Sorten schmecken uns nicht so gut, darauf verzichten wir also.
 
2.3.2014
Wir sind eingeladen zum Brunch ins Hilton, dem ehemaligen Leningrad-Hotel - einer der 7 Stalinschwestern. Der Prunk ist so, wie wir ihn erwartet hatten - mit Marmorsäulen, Deckenbemalungen, großen Kronleuchtern, vergoldetem Stuck und großen Spiegeln. Von 12 bis 17 Uhr können wir schmausen; ein Akkordeonspieler wechselt sich zur Untermalung mit einer Harfenspielerin ab. Schampanskoje, Weiß- und Rotwein, Bier, Wodka und Cognac fließen in Strömen, wobei wir uns gegen Ende doch lieber ans Wasser halten, denn wir haben noch etwas vor.
Beim Verlassen des Hotels geraten wir in eine Menschentraube mit russischen Fahnen. Dass ich noch dabei bin, das Hotel zu fotografieren, nutzen einige der jungen Männer gleich aus, drücken uns ihre Fahnen in die Hand und wollen mit aufs Foto. In dem Pulk friedlicher Demonstranten marschieren wir bis zur Metro und fahren zu unserem wirklich liebsten Park, dem Sokolniki, der von allen am volksnahesten ist.

Hier wollen wir also gemeinsam mit vielen Moskauern den Abschluss der Maslenitza erleben. Empfangen werden wir von einer Band, die auf der Bühne die russische Variante des Boney M-Titels "One way ticket to the moon" zelebriert. An den Ständen werden auch hier Blinis und heiße Getränke, an einem sogar bayrische Bratwürste verkauft. Wir sind aber vom Brunch so satt, dass nur noch ein kleiner Becher alkoholfreien Glühweins passt.

Was besonders toll ist, sind die Preise - verschieden gefüllte Blinis kosten je 25 Rubel (ca. 50 Cent), der Becher Glühwein 50 Rubel. Das entspricht etwa einem Viertel der sonst üblichen Preise. Und hier sehen wir nun endlich zum ersten Mal, wie zu den Klängen einer volkstümlichen Gruppe die Maslenitza verbrannt wird. Der Frühling kann also kommen.
 
9.3.2014
Wir stehen (für unsere Verhältnisse) früh auf, so dass wir kurz nach 8 in das etwa 200 km südöstlich von Moskau gelegene Rjasan aufbrechen können. Zum Sonntagmorgen sind die Straßen noch leer, wir kommen auf größtenteils guten Straßen zügig voran. In Rjasan folgen wir den Ausschilderungen zum hiesigen Kreml. Die Anlage ist beeindruckend. Wir kaufen ein Ticket für 5 Museen. Im Oleg-Palast wird ein Diorama angekündigt. Andreas erklärt mir dann, dass damit die Miniaturdarstellungen des Geländes gemeint sind.
Im 2. Gebäude sehen wir das russische Leben damaliger Zeiten in den verschiedenen Gesellschaftsschichten - das gefällt mir am besten. Die Frage der wirklich netten Aufpasserinnen, ob ich auch eine Fotoerlaubnis gekauft hätte, verstehe ich natürlich nicht. Andreas fehlinterpretiert ihr Interesse in Richtung eines gemeinsamen Fotos und lehnt freundlich ab. Sie geben dann irgendwann auf und lassen uns ziehen.
Im dritten Bau sind Kriegsutensilien der Schlachten vergangener Jahrhunderte ausgestellt - die dürfen natürlich nicht fehlen - im 4. die verschiedensten ausgestopften Tiere und ein Mammutskelett; eine 5. Ausstellung finden wir nicht - macht gar nichts. In einem Kirchenladen wollen wir Räuchermaterialien für unsere Wohnung kaufen. Obwohl der junge Verkäufer sehr nett und bemüht ist, können wir uns nicht verständigen - mir fehlen einfach die nötigen russischen Vokabeln. Eine junge Frau kommt auf uns zu und fragt auf Englisch, ob sie uns helfen könne. Und so bekommen wir genau das, was wir möchten, sind mit unserem Einkauf sehr zufrieden und erfreut über die russische Hilfsbereitschaft und Offenheit.

Auf dem Rückweg werden wir zum ersten Mal von einem Polizisten angehalten. Er vergleicht die Fahrzeugpapiere mit Andreas' Ausweis - wir vermuten, um zu prüfen, ob das Auto wirklich uns gehört - und lässt uns sofort weiter fahren. Wir machen einen Abstecher nach Sarajsk.

Hier findet Andreas den Grund für die Polizeikontrolle. Unsere Nummernschilder sind so pottschwarz, dass weder vom roten Untergrund noch von den schwarzen Zeichen darauf irgendetwas zu sehen ist. Mit Taschentüchern und Mineralwasser schafft er natürlich gleich Abhilfe. Der hiesige Kreml ist auch interessant - aber eben so wie alle. Wir spazieren über das Gelände und außen herum und fahren dann bald weiter.

Nächster Halt ist in Kolomna. Hier, wo die Moskwa in die Oka mündet, bin ich total begeistert von dieser Menge schöner Bauten, die wir uns ansehen. Das Innere der Kirche ist nicht ganz so schön - es fehlen die Wand- und Deckenmalereien, wie wir sie gerade in Rjasan gesehen haben; die Verkäuferin der Räucherzutaten im Kirchenladen ist überhaupt nicht zugänglich und scheint uns nur ungern weitere Harze und ein kleines Stövchen zu verkaufen; aber ansonsten ist hier alles so schön und das Wetter ist herrlich - wir müssen den Spaziergang dennoch beenden, weil inzwischen nicht nur die Füße weh tun.

Der Stau erwischt uns so ziemlich genau 20 km vor Moskau, für die wir bis zum MKAD-Süd, unserer Stadtautobahn, über eine Stunde brauchen. Die einzige positive Abwechslung ist ein Haus in Form eines Elefanten am Straßenrand. Auf dem MKAD rollt der Verkehr dann relativ gut; dass wir für die letzten 30 km trotzdem fast eine Stunde brauchen, liegt eindeutig am Fahrverhalten einiger Moskauer, für das wir absolut kein Verständnis haben. Und ich bin froh, dass Andreas uns durch so manch heikle Situation - mitunter von meinen Schreien begleitet - heil zurück ins deutsche Dorf bringt.
 
10.3.2014
Heute mag ich Moskau wieder. Weil die Sonne so herrlich lockt, fahren wir mit der Metro zu den Sperlingsbergen und spazieren an der Moskwa entlang zum Gorkipark. Wir fühlen uns wie beim Osterspaziergang des alten Goethe - der Fluss ist inzwischen wieder eisfrei, wir beobachten die ersten Weidenkätzchen, Blumen gibt es zwar nicht, dafür aber jede Menge geputzter Menschen, die sich auf den Wiesen und Bänken sonnen. Die Stadtführung hat den Frühlingsbeginn scheinbar verschlafen; von zwei Sandwich- und einem Maiskolbenstand abgesehen gibt es keinerlei Verpflegung für das bunte Gewimmel. Wir gehen weiter an der neuen Tretjakowgalerie vorbei - die Uferpromenade ist hier ganz neu gestaltet und wird von den Moskauern gern angenommen, am Denkmal des Zaren Peter vorbei, bleiben in Höhe der Erlöserkathedrale zum ersten Mal auf der rechten Seite der Moskwa und finden hier endlich einen Supermarkt, in dem wir uns mit Getränken und einem kleinen Snack versorgen können. In einem kleinen Park finden wir für unser Picknick eine Sonnenbank mit einem fantastischen Blick auf die Kremlbauten, wie wir ihn bisher noch nicht hatten. An der Uferstraße schauen wir uns eine Kirche an, die bisher immer eingerüstet war und gehen dann über die Große Moskauer Brücke hinüber zur Basilika und zum Roten Platz. Auch von hier aus ist der Blick so großartig - ich weiß wieder, was mir an Moskau gefällt. Der Fotoapparat liegt natürlich zu Hause - aber ich hab das hier ja auch alles schon des Öfteren geknipst. Inzwischen haben wir etwa 10 km in den Beinen. Die Füße freuen sich auf eine Pause im GUM mit leckeren Blinis (Cesár, mit Kaviar und mit Himbeeren). Danach fallen wir mit einer Selbstverständlichkeit ins Hotel Metropol ein, dass dem Portier nichts anderes übrig bleibt, als uns die Tür auf zu halten. In perfektem Englisch informiert uns die junge Frau an der Rezeption über die nächsten Termine zum Sonntagsbrunch. Das werden wir uns wohl bald noch leisten. Auf den geplanten Spaziergang durch den Alexandergarten müssen wir verzichten, nehmen den kürzesten Weg zur Metro und müssen uns jetzt aktiver Erholung hingeben.
 
15.3.2014
Apocalyptica spielt in Moskau und wir haben vorgestern beschlossen, uns Karten zu kaufen. Auf dem Weg zur Crocus City Hall stehen wir erst einmal im Stau, beobachten einen Flächenbrand seitens der Straße und kommen mit einer halben Stunde Verspätung an.
Dadurch verpassen wir die ersten beiden Songs. Die nächsten sind sehr ruhig - gar nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Außerdem sind die Plätze, die wir noch bekommen haben, so weit außen, dass die Tonqualität sehr zu wünschen übrig lässt. Andreas beobachtet aber mit scharfem Blick die freien Plätze im Mittelteil (an der Theaterkasse waren die vollständig ausverkauft), zu denen wir nach der Pause umziehen. Hier stimmt jetzt alles - wir haben einen guten Blick, die Akustik ist besser und Apocalyptica wechseln zu härterem Repertoire, mit dem sie den Saal zum Brodeln bringen.
 
16.3.2014
Einige Freunde und Kollegen haben sich unserer Sonntagsbrunchidee angeschlossen. Das Metropol ist ein faszinierend schönes - wenn auch total verkitschtes - Hotel mit vielen Säulen, alten Fahrstühlen (die wir aber nicht nehmen, weil wir jede Chance zur Bewegung nutzen wollen), bemalten Seidentapeten, gewaltigen Kronleuchtern, jeder Menge Statuetten, Buntglasfenstern und -dächern.
Wir werden mit Schampanskoje begrüßt und genießen dann ein reichliches und exklusives Buffet. Die anderen sind besonders von den Austern, Jakobs- und Miesmuscheln begeistert - nix für mich! Trotzdem finde ich genug Leckeres. Die Kinder werden nebenan von Animateuren bespaßt, sind also auch zufrieden.
Zum Abschluss wird uns noch eine Hotelführung angeboten, die wir gern annehmen. Die Suiten sind natürlich auch luxuriös, dennoch wären wir damit nicht zufrieden. Zum einen sind die Möbel unbequem und die Bäder billig saniert (dafür hat Andreas einen Blick); zum anderen entspricht das Preis-Leistungs-Verhältnis absolut nicht unseren Vorstellungen: eine Suite kostet 3000 Dollar pro Nacht!
 
23.3.2014
Weil es am letzten Sonntag so schön war, haben wir beschlossen, uns dieses Erlebnis noch einmal zu geben und probieren heute den Brunch im Baltschug-Kempinski. Auch hier ist das Ambiente überwältigend luxuriös und das Buffet äußerst reichhaltig. Mich begeistern besonders der Weißwein - ein Riesling von der Mosel - und das Dessertangebot, deshalb muss ich auch mit Schokoeis anfangen, bevor ich mich auf die anderen Leckereien stürze.
 
30.3.2014
Obwohl es immer noch sehr kühl ist, lockt uns die Sonne zum Sonntagsspaziergang. Wir fahren also mal wieder mit der Metro bis zu den Sperlingsbergen und wandern an der Moskwa entlang (I follow the moskva - down to gorky park - listening to the wind of change). Die Veränderungen hier sind zwar nicht politischer Art aber dennoch deutlich spürbar. Die Promenade ist wiederum ein Stück besucherfreundlicher geworden - farbenfrohe Sitzgelegenheiten auf den Uferhügeln wechseln zu eher konventionellen Bänken durchgängig mit Papierkörben versehen. Große Tafeln erklären die Umgebung auch in lateinischer Umschrift und englischer Übersetzung, Frühlingsbepflanzungen zeigen ihre ersten grünen Spitzen, die Tanzflächen haben ein neues Gebäude gekriegt.
Im Gorkipark suchen wir uns eine freie Bank. Die gastronomische Betreuung funktioniert leider noch nicht, aber wir sind gut vorbereitet, erholen uns bei einem mitgebrachtem Bier-Picknick und beobachten dabei, wie einige Jugendliche den geländerfreien oberen Verlauf der Krim-Brücke für die Überquerung der Moskwa nutzen - für mich ein absolutes "NO-GO"!
Auch hinter dem Gorki-Park ist für ausreichend Sitzgelegenheiten gesorgt und um die neue Tretjakowgalerie herum werden sie trotz der Kühle schon von der Bevölkerung angenommen. Die Hobbymaler haben neue Galerien bekommen und können ihre Werke nun um einiges dekorativer präsentieren. Die Wege sind für Inliner und Radfahrer gut präpariert und sogar mit einigen Rampen ausgestattet.
Auf der künstlichen Insel des Roten Oktober gönnen wir uns eine Pause im Strelka-Café. Für Andreas gibt es einen Cidre, für mich einen Campari-Orange, dazu Tapas mit Humus und ähnlichen Beilagen, die uns geschmacklich an Ägypten erinnern. Und wie immer sind wir beim Bummel über die Patriarchenbrücke zunächst von der Erlöserkathedrale und dann vom Blick auf den Kreml begeistert.
Gleich hinter dem Puschkinmuseum entpuppt sich ein Schokoladenmuseum leider nur als kleiner Verkaufsladen. Wir bummeln also gleich weiter zum Roten Platz. In der Nikolskaja staunen wir wieder, wie schnell sich eine kleine schmutzige stark befahrene Nebenstraße zu einer wunderbaren Fußgängerzone entwickeln konnte. Im GUM gibt es Blini Cesar (weil sie uns einfach am besten schmecken), für Andreas noch eine arabische Lammfleischsuppe und für mich einen Himbeerblin als Dessert. Im Alexandergarten sind weite Flächen für Bepflanzungen abgesperrt. An vielen Stellen stehen schon neue Nadelgehölze, die noch vorsorglich eingepackt sind. Der große Obelisk, auf dem vor fast 3 Jahren noch Größen wie Marx und Engels verehrt wurden, ist jetzt den kaiserlichen Ahnen vorbehalten.
 
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