Leseprobe
Ich kann in Gegenwart anderer meine Gefühle nicht zeigen, obwohl
ich das sehr gerne möchte. Bitte sag mir, was ich tun kann.
Das ist eines der menschlichen Grundprobleme, denn eure ganze
Erziehung erzeugt in euch eine Spaltung. Ihr müsst nach außen ein
bestimmtes Gesicht zeigen - der Gesellschaft, der Menge, der Welt -, und
es braucht nicht euer wahres Gesicht zu sein. Ganz im Gegenteil, es darf
nicht euer wahres Gesicht sein! Ihr müsst jenes Gesicht zeigen, das die
Leute sehen wollen, das die Leute mögen, das sie für akzeptabel halten -
nach ihrer Ideologie, ihrer Tradition -, und euer wirkliches Gesicht
müsst ihr für euch behalten.
Diese Spaltung wird unüberbrückbar, weil ihr die meiste Zeit mit anderen
in der Menge zubringt - in Gesellschaft, in Beziehungen - und nur ganz
selten allein seid. So wird eure Maske immer mehr zu einem Teil von euch
und euer wahres Wesen immer weniger.
Die Gesellschaft erzeugt in allen eine Angst: die Angst vor Ablehnung,
die Angst, dass euch jemand auslachen könnte, die Angst, euer Ansehen zu
verlieren, die Angst vor dem, was die Leute sagen könnten. Ihr müsst
euch allen müsst euch allen möglichen blinden und unbewussten Leuten
unterordnen. Ihr könnt nicht ihr selbst sein. Das ist traditionell auf
der ganzen Welt bisher grundsätzlich so gewesen: Niemand darf er selber
sein. Und so ist dieses Problem entstanden - es ist das Problem von
jedermann.
...
Sobald ein anderer da ist, geht es dir weniger um dich selbst; es geht
dir mehr darum, welche Meinung der andere von dir hat. Wenn du allein in
deinem Badezimmer bist, wirst du fast wieder zum Kind - manchmal
schneidest du sogar Grimmasen vor dem Spiegel. Aber wenn du plötzlich
merkst, dass jemand durchs Schlüsselloch schaut - und sei es nur ein
kleines Kind -, dann änderst du dich sofort. Du wirst wieder normal, wie
du sonst bist - ernsthaft, nüchtern, so wie die Leute es von dir
erwarten.
Und das Erstaunlichste ist, dass du vor den Leuten Angst hast und sie
vor dir. Jeder hat Angst vor dem anderen. Keiner lässt seine Gefühle zu,
seine Wirklichkeit, seine Echtheit. Aber jeder möchte es gerne, weil es
selbstmörderisch ist, ständig sein wahres Gesicht zu unterdrücken.
Du lebst nicht wirklich; im Gegenteil, du spielst nur Theater. Und weil
die ganze Welt zuschaut, hält dich dein jahrhundertealtes Unbewusstes
davor zurück, dich auszudrücken und hinter der Maske deiner
Persönlichkeit hervorzukommen. Jeder verbirgt sich hinter etwas Unechtem
- und das tut weh.
Mit dir selbst unehrlich zu sein, dir selbst gegenüber unaufrichtig zu
sein, ist die schlimmste Strafe, die du dir antun kannst.
Dabei würdest du gar niemandem weh tun! Vielleicht würdest du nur gerne
weinen - und es sind Tränen der Freude; du würdest gerne tanzen - und
Tanzen ist keine Sünde, ist kein Verbrechen. Du willst einfach nur dein
Glück mit anderen teilen, aus Großzügigkeit. Trotzdem ist diese Angst
da, die Leute könnten dein Glück nicht akzeptieren. Man könnte sagen, es
sei unecht; man könnte sagen, es sei nur Theater; man könnte sagen, du
stehst unter Hypnose.
Komisch - wenn du trübsinnig bist, hat niemand etwas dagegen. Dann passt
du hervorragend in diese trübsinnige Gesellschaft. Aber wenn alle
trübsinnig sind und du plötzlich anfängst zu tanzen, bist du nicht mehr
im Gleichschritt mit der Masse.
Du möchtest deiner Freude Ausdruck geben, aber du hast nicht den Mut,
ein Außenseiter zu sein ... Aber wen kümmert das alles? Die Leute werden
höchstens einmal kurz denken, dass du ein bisschen verrückt bist. Aber
wenn sie erst einmal akzeptiert haben, dass du ein bisschen verrückt
bist, hast du nichts mehr zu befürchten. Und was ist verkehrt daran, als
verrückt zu gelten? Die Welt kennt so herrlich verrückte Leute! Ja,
eigentlich waren alle Großen dieser Welt ein bisschen verrückt -
zumindest in den Augen der Masse.
Ihre Verrücktheit wurde deutlich, weil sie nicht trübsinnig waren, weil
sie nicht ängstlich waren, weil sie keine Angst vor dem Tode hatten und
sich keine Gedanken über Nebensächlichkeiten machten. Sie lebten jeden
Augenblick mit totaler Intensität, und durch ihre Totalität und
Intensität wurde ihr Leben zu einem wundervollen Erblühen - voller Duft
und Liebe, Leben und Lachen.
Aber das schmerzt natürlich Millionen von Menschen um dich herum. Sie
können den Gedanken nicht ertragen, dass du etwas erreicht hast, was sie
nicht haben. Sie werden auf jede erdenkliche Weise versuchen, dich
unglücklich zu machen, deinen Tanz zu durchkreuzen, dir deine Freude zu
verderben, damit du wieder zur Herde zurück kehrst.
Man muss all seinen Mut zusammen nehmen. Und wenn die Leute sagen, dass
du verrückt bist, freue dich darüber. Sage zu ihnen: "Ihr habt Recht. In
dieser Welt können nur verrückte Leute glücklich und fröhlich sein. Ich
habe mich für die Verrücktheit entschieden, für den Frohsinn, die
Ekstase, das Tanzen. Und ihr habt euch für die Normalität entschieden,
für das Unglück, das Leiden, die Hölle. Jeder, wie es ihm beliebt! Seid
ihr ruhig normal und unglücklich, und lasst mir meine Verrücktheit.
Fühlt euch nicht brüskiert! Ich nehme an euch allen auch keinen Anstoß -
so viele normale Leute auf der Welt, aber ich nehme daran keinen
Anstoß."
Es handelt sich nur um eine kurze Zeit. Sobald sie akzeptiert haben,
dass du verrückt bist, werden sie dich in Ruhe lassen. Dann kannst du
dein wahres Wesen ans Licht bringen und kannst alles Unechte fallen
lassen.
Du brauchst dir überhaupt keine Gedanken zu machen. Jeder ist mit seiner
eigenen Welt so beschäftigt, dass er keine Zeit und keine Energie hat,
sich um dich zu kümmern. Und wenn jemand eine Meinung von dir hat, ist
es sein Problem.
Du bist allein auf dieser Welt - allein bist du gekommen, allein bist du
jetzt hier und allein wirst du diese Welt wieder verlassen. Und alle
diese Meinungen werden zurück bleiben. Nur deine wahren Gefühle, deine
echten Erfahrungen werden dich über den Tod hinaus begleiten. Nicht
einmal der Tod wird dir deinen Tanz nehmen können, deine Freudentränen,
die Reinheit deines Alleinseins, deine Stille, deine Heiterkeit, deine
Ekstase.
Kannst du etwas über den Neid sagen?
Neid bedeutet Vergleichen. Man hat uns beigebracht zu vergleichen,
wir sind konditioniert worden zu vergleichen, andauernd zu vergleichen.
Dieser dort hat ein größeres Haus, jener dort einen schöneren Körper,
dieser hat mehr Geld und jener mehr Charisma. Wenn du dich vergleichst,
wenn du dich ständig vergleichst mit jedem, der dir über den Weg läuft,
dann wirst du viel Neid verspüren. Neid ist eine Begleiterscheinung der
Konditionierung, sich mit anderen zu vergleichen.
Wenn du das Vergleichen aufgibst, verschwindet der Neid. Dann weißt du
einfach, wer du bist. Du bist niemand anderer - und brauchst es auch
nicht zu sein.
Es ist gut, dass ihr euch nicht mit den Bäumen vergleicht - sonst würdet
ihr neidisch werden: Warum seid ihr nicht grün? Und warum war Gott so
knauserig mit euch - keine Blüten? Es ist besser, euch nicht mit den
Vögeln zu vergleichen, mit den Flüssen, den Bergen, denn sonst würdet
ihr leiden. Ihr vergleicht euch nur mit anderen Menschen, weil ihr so
konditioniert worden seid, euch nur mit den Menschen zu vergleichen. Ihr
vergleicht euch nicht mit den Pfauen und mit den Papageien. Sonst würde
euer Neid immer größer werden. Es würde euch so belasten, dass ihr
überhaupt nicht mehr leben könntet.
Zu vergleichen ist eine sehr törichte Einstellung, denn jeder Mensch ist
einzigartig und unvergleichlich. Wenn sich diese Erkenntnis durchsetzt,
verschwindet der Neid. Jeder ist einzigartig und unvergleichlich. Du
bist einfach du selbst. Es hat noch nie jemanden wie dich gegeben, und
es wird nie jemanden wie dich geben. Und du brauchst auch nicht wie
irgend jemand anderer zu sein.
Gott erschuf nur Originale; er hält nichts von Imitationen.
Ein neidischer Mensch lebt in der Hölle. Gib das Vergleichen auf, dann
verschwindet aller Neid, verschwindet alle Gemeinheit, verschwindet alle
Unechtheit. Aber du kannst es nur aufgeben, wenn du anfängst, deine
inneren Schätze zu entfalten; anders geht es nicht.
Werde erwachsen. Werde mehr und mehr zu einem authentischen Individuum.
Liebe dich selbst und respektiere dich selbst, so wie Gott dich gemacht
hat, dann werden die Himmelstüren unverzüglich für dich offen sein. Sie
sind immer offen - du hast nur nicht hingeschaut.
Was ist Eifersucht und warum tut sie so weh?
Es gibt kaum ein psychologisches Thema, über das so viel Unwissenheit
herrscht, was euch selbst, andere und vor allem eure Beziehungen angeht,
wie über die Eifersucht.
Die Menschen denken, sie wüssten, was Liebe ist - sie haben keine
Ahnung. Und ihr Missverständnis in Bezug auf die Liebe erzeugt die
Eifersucht. Mit "Liebe" meinen die Leute eine Art Monopol, einen
Besitzanspruch - aber sie verstehen eine simple Tatsache des Lebens
nicht: So bald man ein Lebewesen besitzt, hat man es getötet.
Das Leben lässt sich nicht besitzen. Ihr könnt es nicht in der
geschlossenen Faust halten. Wenn ihr es haben wollt, müsst ihr eure
Hände offen halten.
Aber wir befinden uns schon seit Jahrhunderten auf diesem Irrweg. Der
Irrtum hat sich so tief in uns eingegraben, dass wir Liebe nicht mehr
von Eifersucht trennen können. Sie sind beinahe zu ein und derselben
Energie geworden. Zum Beispiel bist du eifersüchtig, wenn dein Geliebter
zu einer anderen Frau geht. Das mag dich stören, aber ich sage dir: Das
Problem wäre noch viel größer, wenn du nicht eifersüchtig wärest - dann
würdest du denken, dass du ihn nicht liebst, denn wenn du ihn
liebst, musst du doch eifersüchtig sein!
Eifersucht und Liebe sind völlig miteinander vermischt worden. Aber in
Wirklichkeit liegen Welten dazwischen. Eine Psyche, die eifersüchtig
ist, kann nicht lieben, und umgekehrt: Eine Psyche, die liebt, kann
nicht eifersüchtig sein.
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