Gaia-Percussion

Reisen

Russland 2013

Moskau ˡ Nischni Novgorod ˡ Schwarzes Meer

Ein alter Freund ist besser, als zwei neue.
russisches Sprichwort

31.1.2013
Nachdem wir zwei Stunden gebraucht haben, um uns durch den Moskauer Stau zu kämpfen, fahren wir abseits der großen Hauptstraßen in Richtung Osten. Der Weg führt uns durch verschneite Fichten- und Birkenwälder, vorbei an den schönen mit Schnitzereien verzierten Holzhäusern, vor denen häufig alte Ziehbrunnen stehen, die auch wirklich noch genutzt werden, auf überraschend gut asphaltierten Straßen entlang. Gegen 5 werden wir etwas unruhig, weil weit und breit keine Übernachtungsmöglichkeit in Sicht ist, die wir eigentlich noch bei Tageslicht finden wollen. Wir hoffen auf das Städtchen Tuma, das wir gegen 6 erreichen - nichts! Die Dämmerung droht; wir merken, dass unsere Sicht stark eingeschränkt ist. Der massig zur Verfügung stehende Schnee reicht nicht aus. Andreas braucht chemische Hilfsmittel, um die Scheinwerfer zu säubern. Dann fahren wir gut beleuchtet in die Dunkelheit. Noch 48 km bis nach Kasimow! Dort müssen wir etwas finden. Die erste Gostiniza ist ein 70er-Jahre-Bau und wirkt wie ein DR-Stundenten-Wohnheim. Da es hier keinerlei Verpflegungsmöglichkeiten gibt, speichern wir sie im Hinterstübchen und fahren weiter. Am Ende der Stadt angelangt, nutzen wir eine Tankstelle als Wendemöglichkeit und finden hier eine vollkommen versteckt gelegene Gostiniza, die einen gemütlichen Eindruck macht. Der Wachmann erklärt, dass sei hier nichts für uns und will uns den Weg zum Hotel in der Stadt beschreiben. Wir aber möchten hier bleiben.
Drinnen wirkt zwar alles bei weitem nicht mehr so gemütlich, aber wir nehmen ein Zimmer, in das geradeso zwei Betten, ein Tisch mit zwei Stühlen, eine Winzigkommode mit Winzigfernseher und ein schmaler Wandschrank mit einem kleinen Spiegel passen. Die Toiletten und Duschen sind am Ende des Ganges. Dafür kommen wir mit günstigen 1.100 Rubeln (etwa 30 €) weg und im angegliederten Café gibt es ein einfaches aber sättigendes Abendessen mit Bier für insgesamt 10 €. Damit sind wir sehr zufrieden.
 
1.2.2013
Als Weckton habe ich  mir Sillys "Rot" gewünscht - es ist ja aber um 8 noch dunkel draußen - also noch 10 Minuten! Dann eine kleine Katzenwäsche am Ende des Ganges! Da das Café zum Frühstück das gleiche Angebot hat, wie gestern Abend, verzichten wir und fahren ungefüttert weiter durch die kleinen Ortschaften - eine davon gefällt mir besonders, weil sie "Ilkino" heißt.
 
Wir erreichen unser Hauptziel Nischni Novgorod, eine sehr schöne moderne Großstadt und brauchen das GPS, um den alten Kern zu finden. Hier stehen noch die bezaubernden einfachen Holzhäuser, wie wir sie aus russischen Filmen kennen. Nachdem wir einen Parkplatz gefunden haben und ich die Unterhosen und warmen Schuhe angezogen habe, suchen wir aber erst einmal den Boulevard nach brauchbaren Restaurants ab. Einige sind zur Winterzeit geschlossen, bei einigen gefallen uns die Preise nicht, bei anderen die Angebote. Dafür sehen wir tolle alte mit großartigem Stuck verzierte Gebäude: eines ist ein Theater und das prächtigste - wie sollte es anders sein! - natürlich eine Bank!
Der Hunger treibt uns zu einer Entscheidung und wir landen bei "Mischell". Es ist ein total gemütliches Café mit getrenntem Raucher- und Nichtraucherbereich. Die Tapeten sind grün-gold gestreift, an den Wänden hängen Gemälde mit Still-Leben. Eins fehlt. Die Fenster sind mit roten Bändern und Herzen geschmückt. An unserm Tisch fällt die Holzvertäfelung fast von der Wand; aber ansonsten ist wirklich alles schön. Wir bestellen jeder ein Mittagsmenü bestehend aus Salat, Suppe und Hauptgericht. Es ist einfach, lecker, sättigend und preislich in Ordnung.
Gut gestärkt kann es jetzt zur Besichtigung des Kreml, wegen dem wir eigentlich hier sind, losgehen. Die weit ausgedehnte Mauer mit mehreren beeindruckenden Türmen verspricht ein wahrhaft großartiges Erlebnis. Der Eintritt ist frei.
An der inneren Mauer sind einige Fahrzeuge, Panzer und Waffen, die die Rote Armee im 2. Weltkrieg genutzt hat, ausgestellt. Daneben stehen noch das obere Teil eines U-Bootes und ein kleiner Kampfjäger. Das Ganze lassen wir schnell links (bzw. rechts) liegen und gehen weiter, um den faszinierenden Ausblick über die gefrorene Wolga, das weite verschneite Land und einige besonders schöne Kirchen zu genießen. Die ewige Flamme lässt uns eher kalt; auch der Blick auf die Ikonen in der Kirche ist inzwischen nicht Besonderes mehr.
So sind wir uns einig, dass Nischni-Novgorod eine sehr schöne Stadt ist, sich der Ausflug auf jeden Fall gelohnt hat und wir den Rückweg antreten können. Der Novgoroder Stau kostet uns NUR eine Stunde. Bevor wir die Stadt verlassen, zieht sich die Straße noch weit an den kleinen Holzhäuschen vorbei. Die Gasleitungen sind hier oberirdisch verlegt, führen direkt durch die Vorgärten und sind in der Höhe den nötigen Durchgängen und -fahrten angepasst.
Auf der Suche nach einer Übernachtung ignorieren wir ein Hotel und fahren lieber wieder eine Gostiniza an. Vor mir stehen drei Männer an der Rezeption, die wir Monteure aussehen und riechen. Er dauert eine Weile, bis sie abgefertigt sind. Dann bekomme ich einen äußerst skeptischen Blick von der Administrazia - ich soll  sagen, was ich möchte. Nun ja - eben ein Zimmer für eine Nacht für mich und meinen Mann! Der skeptische Blick bleibt. Das hier ist doch eine Unterkunft für Arbeiter - für uns sicher nicht geeignet! Wir sollen es uns doch erst einmal anschauen. OK - im Zimmer stehen zwei Betten, ein Tisch mit zwei Stühlen, drei Kommoden, ein Fernseher, ein etwas größerer Schrank mit einem etwas größerem Spiegel und die Toilette ist diesmal gleich mit dabei. Ja, das wollen wir - für günstige 640 Rubel (ca. 13 €). Weil es auch hier keine Verpflegung gibt, fahren wir zum benachbarten Supermarkt, kaufen uns Bier, Sekt, Cola, Knabbereien und einen gesunden Salat für Andreas. Eine Plastikgabel gibt es leider nicht dazu.
Wieder zurück im Zimmer müssen wir erst einmal den kalten Rauch auslüften. Andreas öffnet die Schublade unserer ersten Kommode und findet dort tatsächlich das einzige, was uns fehlt - eine schöne rote Plastikgabel. Neugierig geworden öffnet er auch die Schublade der zweiten Kommode. Hier gibt es aber nichts zu finden, weil die keinen Boden mehr hat. Wir kriechen in unsere Schlafsäcke - auch unsere eigenen Kopfkissen haben wir glücklicherweise mit - , betrachten die verschimmelten Tapeten und sind uns sicher, dass uns die in einer Nacht nicht krank machen werden.
Trotzdem legen wir die Köpfe vorsichtshalber an die Fußenden der Betten und lassen das Fenster offen. Wir fühlen uns, als seien wir zu Besuch im  Gästezimmer eines sehr sehr alten Hauses bei einer sehr sehr alten Oma. Der Fernseher bleibt aus. So können wir noch geniale Stündchen miteinander plaudern, Geheimnisse austauschen und wollen dann gern einschlafen.
2.2.2013
Die Nacht war leider nicht so erholsam, wie erhofft, weil der Hund des Hauses unser Auto sehr vorbildlich bewacht und alle eventuellen Einbrecher mit seinem Gekläff verscheucht hat. Andreas hat trotzdem gut geschlafen - und das ist auch wichtig, denn er fährt uns ja durch die russischen Lande. Wir bestaunen die riesigen Brücken, die über die großen Flüsse gespannt sind und bei einem Blick auf die Jug, die ganz hinten in der Ferne in die Wolga fließt, haben wir so ein winziges Gefühl dieser unendlichen Weite, die nur durch die geduldigen Eisangler unterbrochen wird.
Ich verschlafe dann den größten Teil der heutigen Fahrt - etwa 3 Stunden lang bis kurz vor Wladimir, das nach seinem Gründungsfürsten benannt wurde.
In der großen Kathedrale wird Eintritt verlangt. Da wir schon viele ähnliche gesehen haben, verzichten wir darauf und spazieren nur durch den umliegenden Park. Ein von einer großen Mauer umgebenes Gelände interessiert uns sehr - wir treten auch ungehindert ein, dürfen aber nicht fotografieren, weil irgendeine staatliche Administration hier untergebracht ist. Das ist aber gar nicht schlimm - nichts verpasst!
Weil wir wieder noch nichts gegessen haben, entscheiden wir uns für das "Shesh Besh", ein kaukasisches Restaurant. Das Essen ist frisch gemacht, schmackhaft und relativ günstig. In Moskau hatten wir dieses Lokal abgewählt, weil es außerhalb unserer Preisvorstellungen lag. Die Rückfahrt bedeutet für mich ein weiteres Schläfchen. Der Samstagabend ist verkehrstechnisch supergünstig. Wir stocken nur an einigen roten Ampeln und kommen ansonsten gut und zügig nach Hause.

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