Gaia-Percussion

Reisen

Russland 2012

Moskau ˡ Goldener Ring ˡ Welikij Nowgorod

Lieber weniger aber besser.
russisches Sprichwort

8.3.2012
Wir kommen erstaunlich schnell, ohne Staus oder ähnliche Hindernisse durch die Stadt. Uns fallen die Werbeplakate eines Telefonanbieters auf, von denen uns Herr Walujew entgegen grinst - der ehemalige russische Profiboxer, den wir letzten Sonntag beim Brunch gesehen haben.
In den Ortschaften, durch die wir fahren, säumen schöne Holzhäuschen (zumindest waren sie mal schön) den Straßenrand. Die meisten scheinen aber nicht mehr bewohnt zu sein.
Unsere erste Station heißt Sergijew-Possad. Schon von weitem sehen wir eine tolle Anlage des Dreifaltigkeitsklosters. Und - wir können es kaum glauben - beim Hindurchbummeln treffen wir zwei Kollegen. Die beiden haben per Internet ein Hotel hier gebucht, überlegen aber schon, was sie in den nächsten Tagen noch machen könnten, weil es hier wirklich nicht viel mehr zu sehen gibt. Wir laden die beiden auf einen gemütlichen Tee und Kaffee ein, erzählen ihnen von unserer geplanten Route und verabreden, dass wir sie telefonisch über die Sehenswürdigkeit der nächsten Orte informieren.
Es geht weiter nach Pereslawl-Salesski. Hier gibt es noch viel mehr und viel schönere Klosteranlagen. Erst einmal müssen wir uns aber eine Unterkunft suchen. Wir werden schon etwas unruhig, weil es weit und breit nicht zu sehen gibt, was einer Gostiniza ähnelt. Also fahren wir erleichtert ans erste Motel heran und bekommen auch ein Zimmer für einen Preis, der uns zusagt (2.900 Rubel - etwas mehr als 70 €).
Das Uspenskij-Gorizkij-Kloster wird uns leider vor der Nase geschlossen. Wir umrunden die heiligen Hallen und werden mit einem genialen Ausblick auf die Stadt mit den vielen verschiedenfarbigen Kuppeln und den anliegenden zugefrorenen See belohnt.
Das Danilow-Kloster ist zwar geöffnet, wir schleichen uns aber durch den nur einen Spalt geöffneten Hintereingang, schießen schnell ein paar Fotos und machen uns wieder aus dem Staub.
In dem Nikolskij-Frauenkloster schließen wir uns (ganz unauffällig) einer Schulklasse an. Dadurch finden wir schnell die sehenswertesten Gebäude.
Das Nikiti-Kloster ist eine faszinierende Anlage. Als wir unseren Rundgang beginnen wollen, werden wir von einem popig wirkenden älteren sehr aufgeregten Mann aufgehalten, der unbedingt will, dass ich mir einen Rock (den ich am Eingang leihen oder erwerben könnte) umlege. Ich verstehe natürlich gar nichts! Leider meint er es aber wirklich ernst. Deshalb fotografieren wir auch hier nur kurz in die runde und lassen den armen Mann und seine Röcke schnell wieder in Ruhe.
Wir fahren noch ein bisschen weiter am See entlang, beobachten ein paar Schlittschuh-Kiter und bewundern den Sonnenuntergang. Dann treibt uns der Hunger zurück. Nach gegrilltem Lachs, gebratener Ente und gebackenen Pelmenis begeben wir uns schnell zur wohlverdienten Nachtruhe.
 
9.3.2012
Es schneit bei -15°C. Der Schnee glitzert in der Sonne und sieht wunderschön aus. Unser erster Weg führt uns zurück zum Uspenskij-Gorizkij-Kloster. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt wieder zu kommen - die Anlage ist fantastisch und von dem Ausblick kann man nicht genug schwärmen. Auf der Weiterfahrt nach Jaroslawl hören wir Vivaldis Frühling - nein, das passt gar nicht!
Auf die Stadt Rostow wollten wir eigentlich verzichten. Beim Vorbeifahren sehen wir aber auch hier tolle Gebäude, entscheiden uns spontan um und freuen uns darüber denn es lohnt sich auf jeden Fall! Auch hier liegen für die Frauen Röcke zum Umlegen bereit, die ich wieder ignoriere. Zum Glück stört sich diesmal niemand daran.
Jaroslawl ist eine tolle Stadt. Ein Tag wird wohl kaum reichen, um alles anzusehen. Die Vielfalt der verschiedenen Kirchen und Kloster ist überwältigend. An der zugefrorenen Wolga stärken wir uns in einem richtig schönen Restaurant. Der Kellner behauptet immer unsere Wünsche verstanden zu haben, bringt dann aber doch etwas anderes - so sind wir zwar satt, aber nicht wirklich zufrieden. Dann fassen wir den cleveren Entschluss die Stadt per Auto zu erkunden. So habe ich erst einmal Fotos von der vielfältigen Pracht und vielleicht kommen wir ja noch einmal wieder.
In Kostroma wollen wir uns eine Übernachtung suchen. Die Stadt begeistert uns nicht so sehr und zwei Hotels, die wir finden, lassen wir auch lieber ungenutzt. Die 60 km nach Iwanowo schaffen wir noch. Hier ist es nur ein bisschen schöner und die einzige Gostiniza, die wir finden, ist leider geschlossen. Es sind noch 67 km bis Susdal. Vielleicht finden wir ja auf dem Weg dorthin ein Motel.
Es ist inzwischen dunkel, als wir kurz vor dem Ziel endlich eines entdecken! Das Zimmer kostet 1.300 Rubel (ca. 33 €) und entpuppt sich fast als Suite mit großen Bad, Eingangs-, Wohn- und Schlafbereich. Das Auto steht genau vor unserem Fenster auf dem Hinterhof. Das kleine Café (schlicht und einfach im 80er-Jahre-Stil eingerichtet) hat eine recht umfangreiche Speisekarte, die mir sogar zweisprachig (russisch/englisch) angeboten wird. Hier bin ich rundum zufrieden. Wir lassen die lange Suche entspannt bei leckerem Futter und einigen Bierchen ausklingen.
 
10.3.2012
Die Stadt Susdal ist fantastisch - die schönste unserer Tour und auch touristisch voll erschlossen. Wir fahren erst einmal mit dem Auto hindurch und suchen uns die schönste Kloster-Anlage aus, die wir uns genau anschauen wollen. Es ist das Kloster St. Euthymius.
Wir kaufen so etwas wie ein "All-inclusive-Ticket". Damit können wir uns im ersten Museum Wandmalereien, auch schon einige Schätze und tolle alte Bücher anschauen - es beginnt mit mittelalterlichen Handschriften und reicht bis zu den russischen Fassungen der Werke von Marx und Engels.
Auf die russische naive Kunst verzichten wir, besuchen dafür als nächstes die Kathedrale, die zum Teil schon restauriert ist. Aber auch die noch original erhaltenen Wandmalereien sehen erstaunlich gut aus.

 

Im nächsten Museum geht es hauptsächlich um Gulags und Kriegsgefangenenlager. Es ist sehr interessant, leider gibt es die Erläuterungen nur auf Russisch. Damit sind wir doch ein wenig überfordert und wenden uns dem nächsten Gebäude zu. Hier finden wir die richtigen Schätze - das gefällt mir (obwohl man natürlich nicht darüber nachdenken darf, auf wessen Kosten dieser Prunk angesammelt wurde)!
Vor dem Glockenturm versammelt sich eine Menschenmenge - die Glocken werden in künstlerischer Handarbeit zum Klingen gebracht. Schön ist für mich etwas anderes, aber bemerkenswert ist es auf jeden Fall. Das letzte Museum zeigt Szenen aus dem alltäglichen Klosterleben und kostbare rituelle Gegenstände.
Und was mich am meisten begeistert: egal, ob ich Kostbarkeiten, Ikonen oder Kunstwerke fotografiere - es stört niemanden!
Weiter unten sehen wir noch eine fast ebenso große Anlage - sie ist auch großartig; aber hier reicht uns der Ausblick.
Wir besuchen noch den Susdaler Kreml, sparen uns aber nach einem kurzen Blick in die Kirche das Eintrittsgeld - sie ist zwar ebenfalls sehr schön und prunkvoll, die Ikonen sehen aber doch alle irgendwie gleich aus. Lieber spazieren wir über das angrenzende Gelände und schauen uns zwei Holzkirchen an - mal was anderes!
Auf dem Markplatz probieren wir leckeren Glühwein und ein ganz gesundes heißes Honiggetränk - das ist alles, was ich von einer langen Rede der Verkäuferin verstanden habe, in der sie mir wahrscheinlich erklärt hat, was da alles Tolles drin ist und wofür oder wogegen es hilft. Obwohl wir eigentlich meist die einfache Einkehr bevorzugen, essen wir heute im ersten Hotel am Platze, weil wir von hier aus unser Auto im Blick haben. Das Essen ist gut aber etwas fad.
Auf einer abschließenden Autorunde schauen wir uns die verbleibenden Kirchen an - jede ist für sich einzigartig und bemerkenswert. Ich überlege so vor mich hin: Als wir im August nach Russland gekommen sind, wollte ich eigentlich keine Kirchen fotografieren. Andreas' Kommentar: Es gibt ja hier nichts anderes! Recht hat er!
Letzte Station unserer Tour ist Wladimir. Die hiesige Klosteranlage ist riesengroß und sicher auch toll. Wir fahren erst einmal daran vorbei und bevor wir wenden können, sind wir uns einig, dass wir uns dieses Erlebnis für später aufheben. Der Bedarf an Klostern und Kirchen ist erst einmal gedeckt. Wir planen einen Wochenendausflug im Frühling oder Sommer mit dem Zug hierher zu machen.
Somit sind wir schon auf dem Rückweg und stehen 120 km vor Moskau das erste Mal im Stau. Sofort entwickelt sich die Idiotie der Autofahrer, von der wir 2 Tage verschont wurden - auf den Dreckstreifen rechts von uns bilden sich zwei zusätzliche Spuren und jede Menge Autos überholen uns, die sich vorn wieder einordnen müssen. Unser größter Horror ist die Vorstellung, dass sich das jetzt bis in die Stadt so hinzieht. Erleichtert merken wir nach etwa 20 km, dass wir nur an mehreren roten Ampeln gestanden haben.
In Moskau selbst fließt der Verkehr erstaunlich gut. Es kommen uns einige Armeekolonnen mit vielen voll besetzten Mannschaftswagen entgegen. Zu Hause hören wir dann in den deutschen Nachrichten, dass es Demonstrationen für Neuwahlen und eine "Orange Revolution" nach ukrainischem Vorbild gegeben hat. Es scheint aber alles recht ruhig geblieben zu sein.

nach oben


 

© Gaia-Percussion
Texte und Fotos unterliegen dem Copyright der Gaia-Percussion und dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Copyright-Inhabers an anderer Stelle verwendet werden.
Der Inhalt aller hier verlinkten Internet-Seiten und weiterführender Links liegt außerhalb unserer Kontrolle; wir übernehmen dafür keine Verantwortung.