Gaia-Percussion  

Reisen

Ukraine 2013

In Not gegeben ist doppelt gegeben.
ukrainisches Sprichwort

Mit der Fähre kommen wir aus Russland über die Meerenge zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer, in die Ukraine. Von der Überfahrt sehen wir im Dunkeln leider nicht viel. Gleich hinter der Grenze bleiben wir zum Übernachten auf einem Parkplatz stehen. Obwohl die Tage sonnig und warm sind, ist es nachts doch empfindlich kalt. Mit Winterschlafsäcken und Strümpfen schlafen wir dennoch gut in unserem Hyundai-Motel.
 
Mittwoch, 30.10.2013
Nach richtiger ukrainischer Zeit ist es 7.00 Uhr, als wir aufwachen (in Russland ist es nach Sonnenstand eine Stunde später und außerdem bei der Sommerzeit geblieben - also um 9). In Ermangelung eines Frühstücks teilen wir uns die vorletzte Flasche Bier der Wegzehrung und finden hinter der ersten Ortschaft eine herrliche Strandzufahrt.
Mit gelbem Sand, vielen schönen Muscheln und strahlendem Sonnenschein ist es hier fantastisch (wenn man die leeren eingebuddelten Wodkaflaschen übersieht). Ich trenne mich nur schweren Herzens, aber wir wollen ja noch ein Stück weiter. Nachdem wir einige Kilometer gerollt sind, meldet sich unser tapferes Autochen zum ersten Mal. Andreas hat das Diagnosegerät mit - etwas stimmt mit der Stromversorgung nicht (es könnte einfach nur ein "abber" Draht sein, die Zündspule oder etwas viel Schlimmeres).
Wir sind doch gerade an einem Hyundai-Autohaus vorbei gefahren - dahin geht es also zurück. Öffnungszeiten sind von 9 bis 18 Uhr; Andreas nutzt die Wartezeit von 45 Minuten, um die Abdeckung abzubauen und alle Steckverbindungen zu kontrollieren. Da erklärt uns der Nachtwächter, dass hier nur neue Autos verkauft werden; hinter dem Service-Schild verbirgt sich lediglich ein vollkommen leerer Raum. Also finden wir hier keine Hilfe und fahren weiter. An der nächsten Tankstelle gibt es eine Caféteria, in der wir ein leckeres günstiges Mittagessen kriegen, obwohl es hier erst um 10 ist (wir haben beschlossen, im russischen Zeitrhythmus zu bleiben, um uns nicht innerhalb weniger Tage zwei Mal zwei Stunden umstellen zu müssen).
 
Unserem Auto ging es vorübergehend etwas besser, die Freude ist aber leider nur von kurzer Dauer. Wir müssen alle 5 Minuten anhalten - so kann es nicht weiter gehen; wir fahren also ein Awtozentr an. Englisch spricht hier niemand, aber mein Russisch reicht so weit, dass per Telefon dem richtigen Mann bescheid gesagt werden kann. Der hat die entsprechende Diagnosegerätschaft. Ich setze mich währenddessen auf eine kleine Treppe und nutze die Zeit, um mir den Wind um die Nase wehen und die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen.
Nach einer halben Stunde bekommen wir die fachmännische Meinung, dass man da nichts machen könne und das ganze Problem sicher nur am schlechten Benzin läge. Wir sollten doch ab jetzt lieber "Marken-Tankstellen" nutzen. So richtig können wir das nicht glauben. Was wird nun aus unserer Krim-Tour? Die Entscheidung fällt sehr schwer und wir lassen wieder einmal den Verstand gewinnen, d.h. Urlaubsabbruch und Orientierung nach Norden. Ab jetzt tanken wir nur noch den teuersten Sprit, den wir bekommen können, hoffen immer noch auf Besserung und geben Kiew als Zwischenziel ein.
Unterwegs finden wir in Armjansk ein hübsches Motel. Die Wirtin empfiehlt uns das Café Dikanka für's Abendessen. Hier bekommen wir auch wirklich leckeres und preiswertes Futter (griechischen und Shopski-Salat, Chartscho, Pelmeni in Bullion, Hähnchen mit Pilzen und Käse überbacken, Kartoffelbrei, 3 Blini mit Erdbeeren zum Nachtisch und 3 Bier inklusive Trinkgeld für 150 hrywnja -- ca. 15 €).
 
Donnerstag, 31.10.2013
Das Bett war recht unbequem, Frühstück gibt es nicht, es ist trübe und neblig und unser Auti ist immer noch nicht gesünder. Wir tanken mehrfach das beste und teuerste Benzin und kämpfen uns mühsam bis Kiew.
Das erste Schild, das uns hier ins Auge fällt, ist eine große Hyundai-Autoservice-Werbung - noch 8 km! Wir finden die Werkstatt fast sofort, können uns so weit auf Russisch verständigen, dass es ein Problem mit der Elektrik gibt, wir zunächst eine Diagnose brauchen und geben unser Auti in hoffentlich fähige Hände. Die erstaunlich leere ordentliche und saubere Werkstatthalle können wir durch ein Fenster beobachten, aber leider den Werdegang nicht nachvollziehen. Ich bin auch nicht sicher, ob die Leute hier ukrainisch oder russisch mit mir sprechen. Jedenfalls verstehe ich sehr wenig und meine Englisch-Versuche funktionieren noch weniger. Irgendwann steht fest, dass wir ein Teil brauchen (Andreas vermutet die Zündspule), das nicht auf Lager ist, bestellt werden kann und morgen Mittag da sein wird, wenn wir es gleich bezahlen. Die Möglichkeit, es selbst abzuholen, verwerfen wir schnell.
So verbleiben wir und erfüllen einen von Andreas' sehnlichen Wünschen - wir buchen 2 Übernachtungen im Hotel Turista, das er von seiner Abschlussfahrt der 10. Klasse (was ja erst neulich war) her kennt. Unser Zimmer liegt im 21. Stock und hat einen fantastischen Ausblick. Wir machen uns schnell wieder auf den Weg, denn es ist inzwischen 19 Uhr (unserer russischen Zeit) und wir haben HUNGER! Gleich gegenüber ist ein versteckter Markt, den nur findet, der die Ausschilderung RINOK kennt und dort kehren wir in eine kleine gemütliche Kneipe ein, in der wir superfreundlich bedient werden, vom Essen begeistert sind und ich endlich meine erste Flasche einheimischen Weins kriege, von der ich aber nur die Hälfte schaffe (den Rest nehme ich natürlich mit).
Jetzt sind wir gut gestärkt und endlich bereit, uns auf die Stadt einzulassen. Wir fahren drei Stationen mit der Metro, finden dort keine großartigen Besonderheiten, nur eine Truppe bunter Jugendlicher, die sich mit ihren Fahrrädern treffen, um gemeinsam auf Halloween-Tour zu gehen. Die Stimmung ist sehr friedlich und angenehm. Ich freue mich auf morgen; aber jetzt wird es kalt und ich bin müde; es geht also schnell zurück zum Hotel Turista - ein netter Herr fährt mit uns im Fahrstuhl nach oben und wünscht uns bei der Verabschiedung einen deutschen schönen Abend noch.
 
Freitag, 1.11.2013
Das Frühstücksbuffet macht uns satt, obwohl ich es nicht so lecker finde. Mit der Metro fahren wir oberirdisch bis zum großen beeindruckenden Dnjepr und schauen uns das Höhlenkloster an. Die Anlage ist gewaltig. Die heiligen Mumien, die Andreas beim letzten Mal noch gesehen hat, sind jetzt mit Tüchern abgedeckt, was uns äußerst recht ist.
Die Kirchen sind total prunkvoll - im krassen Gegensatz sitzen davor die bettelnden Ärmsten. Einige Fresken aus dem 17. Jahrhundert, die auf Wandstücken erhalten worden sind, bewundern wir genau so wie die Sammlung von Schätzen vergangener Jahrhunderte. In einer Kirche sind gerade Bauarbeiten im Gange - wir können das Schild am Eingang, das den Zutritt verbietet, natürlich nicht lesen und gehen trotzdem hinein. Die Arbeiter stört das gar nicht - keiner verbietet uns den Blick - so können wir in Ruhe die noch nicht restaurierten Malereien an Decken und Wänden bestaunen.
Nachdem 2 1/2-stündigen Bummel durch die Anlagen sind wir rundum zufrieden und kümmern uns jetzt wieder um unser Auto, rollen pünktlich in der Werkstatt ein, was offensichtlich auch nicht anders erwartet wurde, und sind wiederum 1 1/2 Stunden später glücklich, denn es funktioniert wieder. Die Zündspule wurde gewechselt und wir sind froh, dass es kein größerer Schaden war. Auf dem Rückweg halten wir an einem großen Supermarkt, weil uns die Weinverkostung auf der Krim fehlt.
Es gibt eine wirklich umfangreiche Auswahl ukrainischer Weine und eine Mitarbeiterin, die uns sofort mit gutem Rat unterstützt. Wir verlassen uns auf ihr Urteil, kaufen trockene Weiße für mich, süße Rote für Andreas, lassen uns noch zu Pflaumenwein überreden und nehmen auch noch eine Flasche einheimischen Wodkas mit. Zum sofortigen Verzehr gibt es Cidre, Bier und Kuchen, was wir durchaus in dieser Zusammenstellung mögen. Dafür gibt es aber nur eine kurze Pause im Hotel, denn wir wollen ja den Rest des Tages noch für die Innenstadt nutzen. Mit der Metro fahren wir wieder die 3 Stationen, folgen dann der Ausschilderung in Richtung Zentrum und es hat sich gelohnt! Wir sind begeistert!
Obwohl es inzwischen dunkel ist, genießen wir die tolle Stadt - große Boulevardstraßen, fantastische alte Häuser, viele kleine Imbissstände, an denen es Spaß macht anzuhalten, weil die Preise nicht schmerzen. Wir fühlen uns so wohl, dass wir uns sicher sind, wieder her zu kommen. Irgendwann lassen die Kräfte nach; die Einladung zu einer großen Halloweenparty müssen wir ausschlagen, schauen noch in eine Markthalle hinein und gehen dann zielgerichtet zur Metro, um einen wirklich rundum gelungenen Tag glücklich und zufrieden zu beenden.
 
Samstag, 2.11.2013
Heute ist der Frühstückssaal voll und das Buffet stetig belagert. Wir ergattern Tee, Eierkuchen, eine Portion Salat für Andreas und haben viel Zeit, die Leute zu beobachten. Die meisten wirken fein gemacht, was nicht wirklich gelungen ist. Unser erster Eindruck der ukrainischen Armut bestätigt sich.
Wir haben vor, die etwa 900 km bis Moskau heute zu bewältigen. An der Grenze steht eine Ewigschlange, die uns sicher einen ganzen Tag kosten würde, hätten wir nicht diese wunderbaren roten Nummernschilder und die Diplomatenpässe. Wir fahren also bis zur Schranke vor; dort müssen die ersten Fahrzeuge zur Seite fahren, um uns durch zu lassen. Die Passkontrolle an den ukrainischen und russischen Checkpoints dauert höchstens 10 Minuten.

An einer Tankstelle führe ich, während Andreas Sprit einfüllt, einen kleinen Smalltalk mit der Tankwärtin, das in völliger Verständnislosigkeit ihrerseits in der Frage gipfelt: "Warum um alles in der Welt entscheiden sich Deutsche, die in Deutschland leben könnten, für ein Leben in Russland?!?!" Nun ja, ein bisschen frage ich mich das ja inzwischen auch.
Dann hindern uns nur noch heftig viele Baustellen mit russischen Fahrern, die dauerhaft bei Rot fahren, weshalb dann natürlich bei Grün kein Durchkommen mehr ist. So kommen wir erst weit nach Anbruch der Dunkelheit aber wohlbehalten wieder in unserem Moskauer Zuhause an.

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