Gaia-Percussion

Reisen

Vietnam 2016

5.10. ˡ 6.10. ˡ 7.10. ˡ 8.10. ˡ 9.10. ˡ 10.10. ˡ 11.10. ˡ 12.10. ˡ 13.10.

Die Zunge ist schärfer als das Schwert.
vietnamesisches Sprichwort

7.10.2016

Um sechs klingelt der Wecker und wir starten erholt in den Tag. Das Frühstücksbuffet ist für unseren Geschmack nicht berauschend. Wer isst am frühen Morgen schon Gesottenes und Gebratenes? Wir entscheiden uns für Toast und Marmelade. Der Kaffee ist so stark, dass Anja ihn gleich ganz abwählt.

Um acht beginnt dann unsere Rundreise. In unserer Gruppe sind wir insgesamt neun Personen plus Reiseleiter. Das ist sehr in Ordnung.

Zu unserer Überraschung beginnen wir mit einer Stadtrundfahrt. Diese stand optional für den Nachmittag im Plan, und wir wollten sie eigentlich gar nicht… Ok, fahren wir eben mit. Wir sehen alte französische, im Kolonialstil erbaute Häuser und erfahren, dass viele davon im Krieg kaputt gegangen sind. Daneben sind Hochhäuser entstanden, die als Bürogebäude dienen. Wir sehen uns das People‘s Comittee Building an, das von 1902-1908 in französischem Kolonialstil erbaut wurde. Davor ist eine große Ho-Chi-Minh-Büste. Dann fahren wir zur neoromanischen Notre-Dame-Kathedrale, die etwa von 1863-1880 aus Backstein erbaut wurde und über zwei Glockentürme verfügt. Heute ist es eines der bedeutendsten Kolonialgebäude Saigons und das Zentrum der katholischen Kirche in Südvietnam.

 

Daneben ist die Post (1886-1891). Ursprünglich sollte das Gebäude  wohl einmal ein Bahnhof werden, dafür war jedoch der Boden zu instabil. Heute ist es eines der schönsten Postgebäude weltweit. Abgesehen von einer Renovierung und Modernisierung der Schalter erfolgten seit der Entstehung fast keine Änderungen. Die Stahlkonstruktion des Gebäudes wurde vom französischen Ingenieur Gustave Eiffel entworfen.

Ab jetzt nimmt das Drama des heutigen Tages seinen Lauf. Wir wollen abends um 18 Uhr in das Opernhaus (Vietnamesen können mit Theatern nichts anfangen, wie wir erfahren) und die AO-Show ansehen. Hier wird die Geschichte Vietnams in einer Mischung aus Tanz und Akrobatik dargestellt und oft nur kurz als „Bambusshow“ bezeichnet. Unser Reiseleiter zeigt uns in der Post die Kartenvorverkaufsstelle und versichert, dass wir pünktlich zurück sind. Ok - dann los! Wir erstehen zwei Karten und freuen uns - noch!

Dann fahren wir zum Revolutions-Museum. Hier findet man Wissenswertes über die fast zehn Jahre dauernde Kriegsgeschichte Vietnams. Auf dem Museumsgelände sehen wir zunächst verschiedenste Kriegsmaschinerie  (Panzer, Helikopter) und dann auf unserem Rundgang durch das Gebäude umfangreiches Bildmaterial über die Schrecken des Krieges. Auch Hintergründe der Ereignisse werden erklärt. Beeindruckt und recht still fahren wir dann anderthalb Stunden weiter zu den Tunneln von Củ Chi.

Bevor wir aber alles besichtigen, gibt es ein nicht wirklich leckeres Touri-Mittagessen.

Die ersten Tunnel von Củ Chi entstanden 1948 im Krieg gegen die Kolonialmacht Frankreich, um Waffen, Vorräte und Menschen zu schützen. Nachdem die Vietnamesen über die Franzosen gesiegt hatten, entsandten die USA Truppen nach Vietnam. Als sie unweit von Củ Chi ein Hauptquartier errichteten, ahnten sie noch nicht, dass der Feind unter der Erde lauerte. In den 1960er-Jahren erweiterten vietnamesische Partisanen, die Vietcong, das Tunnelsystem in Ausdehnung und Tiefe massiv, bis es schließlich auf eine Gesamtlänge von 200 Kilometern auf drei Ebenen angewachsen war. Unter der Erde waren ganze Städte entstanden mit Schulen, Lazaretten, Büros und Schlafgelegenheiten. Die unterirdischen Gebäude waren durch Tunnel von ca. 80 cm Höhe und 60 cm Breite verbunden. Als Eingänge dienten mit Grasbewuchs und Laub getarnte Klapptüren. Die Eingänge waren zudem durch einfache, aber wirkungsvolle Fallen wie Bambusspieße gesichert.

Die Tunnelanlage besaß 3 Etagen. Die oberste lag 3-4 Meter unter der Erde. Die zweite Etage lag 6 Meter unter der Erde und diente als Unterschlupf für Kinder, ältere Menschen und verletzte Soldaten. Die unterste, 8-10 Meter unter der Erde, beherbergte Krankenhäuser und sonstige Heilstätten. Trotz mehrmaliger Versuche der amerikanischen Streitkräfte gelang ihnen die Zerstörung der Tunnel nicht - weder durch Fluten, durch starkes Bombardement, durch Einführen von Giftgas in die Anlage, noch durch chemische Entlaubung des gesamten Dschungels.

Die Tunnelbewohner hatten ständige Attacken von Giftschlangen, Ratten und anderem Ungeziefer zu ertragen. Auch die enorme Hitze im gesamten Tunnel stellte ein großes Problem dar.

Heute ist der Dschungel aufgeforstet und eine beeindruckende Museumsanlage entstanden. Beklommen fühle ich mich, als vom benachbarten Schießstand Schüsse herüberschallen. So muss es im Krieg gewesen sein. Wir sehen an Schauanlagen, wie die Kämpfer gelebt und gearbeitet haben und welche Fallen den GIs gestellt wurden. Auch den Schießstand besichtigen wir.

Die meisten Tunnelsysteme sind verfallen oder verschüttet worden. Nur einige Gänge sind erhalten geblieben. In einem extra für Touristen angelegten Teilstück (ca. 100m lang, 60cm breit und 1,20m hoch und damit deutlich größer, als im Original) kann man einen kleinen Eindruck vom Leben im Tunnel gewinnen.

Alle 20 m gibt es einen Ausstieg für die, die nicht mehr können. Von acht Gruppenteilnehmern schaffen es nur vier bis zum Ende - ich auch!

Danach kosten wir Maniok, ein Hauptnahrungsmittel der Kämpfer und trinken grünen Tee.

Ein Blick auf die Uhr lässt Anja und mich schon ein wenig unruhig werden. Es ist gleich halb vier! Mit unserer Show wird es bei Rückfahrts-Beginn schon eng.

Und es kommt, wie es kommen musste. In Saigons Rushhour geht nichts mehr. Wir kommen nur im Schritttempo voran. Unsere Laune sinkt von Minute zu Minute. Halb sechs stehen wir endlich vorm Hotel und ein etwas kleinlauter Reiseleiter neben mir. Wir sollen doch ein Taxi nehmen, dann schaffen wir es noch.... Ich bin stocksauer und lasse mir das auch anmerken. Schließlich organisiert er ein Auto vom Hotel und fährt sogar mit zum Opernhaus. Dort sehen wir die ganzen aufgehübschten Leute, gucken und riechen an uns herunter und stellen fest: Nein! So kann man unmöglich ins Theater. Ich knöpfe mir Huyuh Tri Phuong vor. Er ist schließlich schuld! Wir haben extra gefragt, ob wir pünktlich sind, aber er hat eigenmächtig den Tagesplan geändert. Anja sagt gar nichts mehr und steht bockig daneben. Letztendlich erreicht der Reiseleiter, dass die Karten für eine Show am nächsten Mittwoch umgetauscht werden können. Wirklich zufrieden sind wir damit nicht, denn ob wir an diesem Tag pünktlich sein können, steht in den Sternen...

Wir wollen trotz strömenden Regens zum Hotel laufen. Tri Phuong schließt sich widerwillig an. Trotz meiner schlechten Laune versuche ich auf dem Rückweg ein wenig Smalltalk zu führen. Ich erfahre, dass die Leute hier meistens mit der ganzen Familie in einem Haus wohnen und unten ein Laden ist. Wer sein Ladengeschäft vermietet, hat ausgesorgt. Der Verdienst eines Vietnamesen liegt zwischen 300 und 350 Dollar monatlich. Der Park ist ein zentraler Treffpunkt für Freunde und Kollegen, wo Sport getrieben (besonders Gymnastik, weil zu Hause kein Platz ist) und geredet wird. Unfälle passieren häufig, aber seltener in der Stadt, als außerhalb. Durch sein Gerede versucht er merklich, die Wogen wieder zu glätten. Die Verabschiedung fällt dennoch sehr unterkühlt aus. Wir tappen klitschnass ins Zimmer. Die Aussicht, später darüber lachen zu können, tröstet uns nicht wirklich.

Dazu kommt dann auch noch, dass wir morgen am Mekong in einem anderen Hotel übernachten und danach in unseres zurückkommen. Wir dürfen nur eine kleine Tasche packen. Die Koffer bleiben da. Wie soll DAS denn bitte gehen?!? Wir beschließen, Anjas Koffer zu nehmen und die anderen Sachen in meinem Koffer zu lassen. Wirklich toll ist das nicht.

Abendessen gibt es im Hotel. Wir sind die Einzigen, die hier sind. Die Anderen suchen in der Stadt nach einem Restaurant. Nach unseren Tiefschlägen heute haben wir dazu aber keine Lust. Nach dem Essen und Packen guckt Anja Bilder an und ich schreibe Tagebuch. Gegen um zwölf gehen wir ins Bett.
 

zum 8.10.

 
 

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