Ägypten 2011

Es sollte ein schöner Urlaub werden; ich wollte meiner Freundin und ihrer Tochter "unser" Ägypten zeigen.

Die Revolution machte uns einen Strich durch die Rechnung. Wir hoffen, dass das Land seinen neuen Weg findet und wir bald wieder dorthin zurück kehren können.

4.2.2011


Mittwoch, 26.1.2011

Unsere Familie und die Freunde machen sich Sorgen wegen unserer Reisepläne – in den großen Städten Ägyptens gehen die Menschen trotz Ausgangssperre zu Zehntausenden auf die Straßen, um sich von der Mubarak-Herrschaft zu befreien. Die großen Plakate mit seinem Konterfei werden zerstört, die Polizei geht mit Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstranten vor, es gab wohl schon Tote und Verletzte. Auf YouTube sehen wir Videos von den Unruhen und telefonieren mit unseren Freunden in Luxor. Die beruhigen uns aber, dass nur die nördlichen Landesteile betroffen seien – in Luxor ist alles ruhig.

Donnerstag, 27.1.2011

Weil das Reisefieber doch wieder ein bisschen brennt, schlafen wir nur wenig; das frühe Aufstehen gelingt dennoch erstaunlich gut. Für die nächsten drei Wochen haben wir in Berlin Tegel einen recht preisgünstigen Parkplatz gebucht. Der Shuttle-Bus wartet pünktlich auf uns. Da alles wunderbar geklappt hat, sind wir eine Stunde zu früh – also drei Stunden vor Abflug – an unserem Gate und belauschen andere Touristen, die heute früh noch mit dem Auswärtigen Amt telefoniert haben. Der aktuelle Stand ist also, dass noch keine offizielle Reisewarnung ausgesprochen wurde, aber alle Ausflüge nach Kairo gecancelt worden sind.

Wahrscheinlich haben wir ein bisschen Rückenwind, denn unser Flugzeug landet zwanzig Minuten früher als geplant. Obwohl wir ein Dauervisum für ein Jahr in den Pässen haben, brauchen wir ein neues Einreisevisum. Das zu kaufen geht sehr schnell; der Schalterbedienstete freut sich über unsere arabischen Brocken. Elli muss nicht lange auf uns warten. Als wir das Flughafengelände verlassen, kommt uns eine Polizeieskorte entgegen; wir beobachten, dass die schwarze Limousine „Luxor 1“ des hiesigen Gouverneurs vorfährt und schlussfolgern, dass er auf dem Weg ist, die Stadt zu verlassen.

Elli hat uns ein leckeres bayrisches Willkommen-Essen vorbereitet, es gibt mayonäsefreien Kartoffel- und Gurkensalat mit Fleischküchle. Andreas kommt gerade richtig; Ellis Fernseher spricht seit heute Morgen nicht mehr mit ihr. Er kann das Problem schnell beheben; und nach einem kurzen Pläuschchen fallen wir müde ins Bett. Ans Einschlafen ist aber nicht zu denken; ich liege noch lange wach und gerade als mir die Augen zu fallen wollen, fangen die Hähne draußen an zu krähen. Wenig später beginnt der Gesang der Muezzine, der kurzzeitig die Hähne verstummen lässt. Als es hell wird, schlafe ich endlich ein.

Freitag, 28.1.2011

Zum Aufwachen ist das Frühstück schon fertig. Ich genieße die warme Sonne auf Ellis Dachterrasse. Im Schatten ist es eher kühl, es weht eine frische Brise. Eine Schweizerische Freundin, die schon seit vielen Jahren hier in Luxor wohnt, ruft an, um uns zu informieren, dass in Ägypten die Internetzugänge blockiert worden sind. Wir probieren es sofort und sie hat tatsächlich recht: nicht nur die „Landline“ ist gesperrt; auch über unsere Sticks bekommen wir keinen Zugang. Klaus kommt zu einem ersten kurzen Besuch – er hat weitere neue Nachrichten: die Telefonleitungen von Luxor nach Kairo wurden gesperrt. Eine kleine Beruhigung für uns ist aber, dass wir wenigstens noch nach Deutschland telefonieren können.
Gegen Nachmittag wollen wir zu einem Bummel über die Eastbank aufbrechen. Doch noch bevor wir starten, beobachten wir von der Dachterrasse aus, dass sich auf der anderen  Seite des Nils eine Menschenmenge versammelt, die sich in ständigem Auf und Ab die Corniche entlang befindet. Nach kurzer Zeit werden auch hier die Demonstranten von Tränengaswolken zurück getrieben, schnell ist alles vorbei und wir machen uns auf den Weg. Es hängt noch ein Hauch des Tränengases in der Luft, auf den Straßen liegen Reste der Steine, die geworfen worden sind; Unterwegs sind an zwei Stellen vor wichtigen öffentlichen Gebäuden Polizeitruppen präsent. Aber schon nach einigen Stunden ist alles aufgeräumt und nichts mehr von der Aufregung zu spüren, so dass wir unbesorgt unser Bier in der Stellabar trinken können. In ganz Luxor werden inzwischen sobald es dunkel wird die Palmen angestrahlt, Bäume und Sträucher sind mit blauen Lichterketten dekoriert - die Stadt hat sich fein gemacht für ihre Touristen.
Am Abend treffen wir uns zu einem leckeren Essen im Lieblingsrestaurant der Westbank, dem El Fayrouz, und sind wie immer sehr zufrieden.
Auf dem Heimweg fällt uns auf, dass die Straßen sehr leer sind. Wir vermuten, dass die meisten Einheimischen die Entwicklung der Situation in Kairo vor dem Fernseher verfolgen. Inzwischen sind dort Hunderttausende auf den Straßen unterwegs. Kairo brennt und die Polizei soll auch in Alexandria und Suez die Kontrolle verloren haben. Die allgemeine Grundmeinung ist, dass die Ära „Mubarak“ jetzt vorbei ist. Dennoch wagt man sich noch nicht, diese Meinung laut und öffentlich zu äußern. Bei uns ist und bleibt wieder alles ruhig.

Samstag, 29.1.2011

Heute Morgen erfahren wir, dass die Unruhen, die wir gestern beobachtet haben, nur die letzten Ausläufer der Demonstration waren. Das Gouverneursgebäude, das Gebäude der ägyptischen Nationalbank und die Bibliothek sind zerstört.
Wir verfolgen die Nachrichten über die aktuellen Ereignisse in Kairo im Fernsehen. Dort hat sich die Polizei inzwischen zurück gezogen und das Militär ist aufmarschiert. Damit hat sich die Situation zum Glück entspannt, denn die Soldaten stehen auf der Seite der Demonstranten und werden mit lautem Jubel begrüßt. Um Mitternacht hat Hosni Mubarak eine Rede gehalten, die im Fernsehen übertragen wurde. Darin teilte er mit, dass das gesamte Parlament zurück getreten ist und schnellstens eine neue Regierung gebildet werden soll. Er verspricht eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse und eine Verringerung der Arbeitslosigkeit.
Hier ist heute alles ruhig; wir genießen einen herrlichen Tag auf der Dachterrasse mit Alltag um uns herum. Störend ist nur der „Schwarze Schnee“. Wir werden in regelmäßigen Abständen mit Rußpartikeln überschüttet, weil um uns herum verbrannt wird – meist ist es das abgeerntete Zuckerrohr auf den Feldern, oft riecht es aber sehr giftig nach der Müllverbrennung, die auch hier immer da passiert, wo sich ein ausreichend großer Müllhaufen angesammelt hat.
Andreas kocht uns ein leckeres Mittagessen; da kommt unsere Schweizerische Freundin mit der Information, dass ab morgen alle Banken geschlossen werden sollen. Wir werden uns also schnell auf den Weg machen, um für die nächsten Wochen genügend Geld zu tauschen. Natürlich bekommen wir die gut gemeinte Warnung mit, dass wir auf der Eastbank sehr sehr vorsichtig sein sollen.
Wir halten den Kontakt nach Hause per Telefon; das Internet funktioniert noch nicht wieder (ich bekomme bald Entzugserscheinungen!!!) und SMS können auch nicht gesendet oder empfangen werden.

Der Gang auf die Eastbank war nur wenig erfolgreich. Zuerst fällt uns auf, dass keine Polizisten mehr da sind – alle Stationen sind unbesetzt. In Richtung des Gouvernorats riegelt eine Armeeeinheit die Straße ab. An der Wechselstube, die wir zielgerichtet ansteuern, sind alle Scheiben eingeschlagen – an Geld kommt man hier nicht mehr. Wir beschließen zum Sonesta-Hotel zu gehen, in dem wir im letzten Jahr so lange gewohnt haben. Auf dem Weg dorthin kommt uns eine Menschenmenge entgegen, die nach aufgebrachtem Mob aussieht. Einige Einheimische sind sofort ganz besorgt um uns, bitten uns erst, nicht weiter zu gehen und ein paar Minuten zu warten. Dann entscheiden wir aber doch, lieber einen anderen Weg zu nutzen. Hier kommt uns ein Sattelschlepper der Armee entgegen und Andreas vermutet, dass der sicher einen Panzer gebracht hat. Und tatsächlich: vor dem Iberotel – an der Hauptkreuzung – so ziemlich direkt am Nil – steht ein T 72, ein relativ alter russischer Panzer. Obwohl ich viel Respekt vor dem Einsatzkommando habe, müssen wir trotzdem wenigstens einmal fotografieren.
Wir kommen sicher zum Sonesta – auch hier sind natürlich alle sehr aufgeregt; die Mitarbeiter der Chefetage stehen vor dem Hotel und sind in eine heftige Diskussion vertieft. Alle sind sicher, dass wir hier Geld bekommen können, aber sie haben sich geirrt – am Bankschalter steht das Schild „Closed all day“ (den ganzen Tag geschlossen). Unsere letzte Idee ist das Hotel Winterpalace – das erste Haus am Platze. Es wird von einer Armeeeinheit gesichert. Die Soldaten tragen Waffen mit aufgesetzten Bajonetten. Zwar ist auch hier die Bank geschlossen, wir finden aber einen Wechselautomaten. Der rechnet uns einen richtig guten Kurs aus – ist aber leider leer. Wir sind schon froh, dass er unsere Euros wieder ausspuckt, sind jetzt aber doch etwas ratlos. Was noch bleibt ist die Hoffnung, dass Elli genug Geld im Haus hat und uns aushelfen kann.
Die Stadt ist wieder auffällig leer. Aus Angst vor Plünderungen sind die meisten Geschäfte geschlossen – selbst im Souq ist alles wie leer gefegt. Überall sehen wir die Folgen der Zerstörungswut – Straßen- und Werbeschilder sind zerschlagen. Unsere Stellabar ist geöffnet, so können wir wenigstens unser tägliches Bier-Ritual am Luxortempel genießen. Entgegen aller Gerüchte bekommen wir mit dem Handy eine Verbindung zu den Freunden in Kairo – bei ihnen ist zum Glück alles in Ordnung. Wir finden einen Vodafon-Händler, der uns Karten verkauft, um die Handys aufzuladen. Das ist zurzeit besonders wichtig, weil diese ja unsere einzige Kontaktmöglichkeit nach Hause sind.

Mehr können wir nicht erledigen, fahren also mit der Fähre zurück auf die Westbank. Die erste Beruhigung ist: Elli erfüllt unsere Hoffnungen – sie hat genug Bargeld zu Hause. Es gibt auch neue Nachrichten aus Kairo. Hosni Mubarak hat den Chef der Geheimpolizei als stellvertretenden Präsidenten eingesetzt. Es wird also damit gerechnet, dass er sich bald zurück ziehen wird. Die Stadt kommt trotzdem nicht zur Ruhe – auch dort soll plündernder Mob unterwegs sein. Man fragt sich, wie es sein kann, dass 1 Million Polizisten samt ihrer Ausrüstung wie vom Erdboden verschluckt sein können. Schlimm ist, dass das Ägyptische Museum Plünderern und Randalierern zum Opfer gefallen ist. Es sollen sogar Polizisten in Uniform an diesem Treiben beteiligt gewesen sein. Die Zivilbevölkerung hat die Plünderer gestellt und eine schützende Menschenkette ums Museum gebildet. In ganz Ägypten sind alle Schulen geschlossen, sogar sämtliche Fußballspiele wurden verlegt. Die Staffs in unserem Hotel schauen sich deshalb ein Spiel von 2006 an. Ein befreundeter ägyptischer Reiseleiter ruft aus dem Süden bei Elli an. Er erzählt, dass die Kreuzfahrtschiffe in Richtung Assuan nicht anlegen dürfen. Das macht den Reisegruppen natürlich Probleme, weil die Touristen ja die Tempel besichtigen wollen. Er warnt uns, weil er meint, dass sich die Situation auch in Luxor noch verschärfen wird. Gegen Abend fällt uns auf, dass um uns herum kaum noch Lichter brennen; fast die gesamte Westbank ist dunkel. Wir verbringen die halbe Nacht auf der Terrasse; die Stimmung fühlt sich an wie die Ruhe vor dem Sturm. Es sind viele junge Männer mit ihren langen Stöcken unterwegs, die ja eigentlich für die rituellen Tänze gedacht sind – aber getanzt wird heute nirgends. Manchmal denken wir auch, ein Gewehr zu erkennen. Vor unserem Haus steht ein Mann mit einem großen Messer in der Hand. Einige Fahrzeuge sind regelmäßig unterwegs auf Patrouille-Fahrt. Unser Nachtwächter beruhigt uns. Er meint, dass Bürgerwehren gebildet wurden, weil keine Polizei mehr präsent ist. Aus der Ferne hören wir einige Schüsse; Andreas meint, dass sogar eine Maschinenpistole dabei gewesen ist. Ein Junge ist dabei, in blinder Zerstörungswut die Laternen am Ufer zu zerschlagen. Ansonsten bleibt hier aber alles ruhig, wir gehen also doch ins Bett.

Sonntag, 30.1.2011

In einem morgendlichen Telefonat mit einer befreundeten Reiseveranstalterin erfahren wir, dass alle Gefängnisse geöffnet worden sind. Jetzt verstehen wir natürlich, warum die Menschen solche Angst vor Plünderungen haben. Erstaunt stellen wir fest, dass ein großer Teil der zerstörten Laternen an der Corniche schon wieder aufgerichtet ist.

Ich rufe meine Freundin in Deutschland an und erzähle ihr von der derzeitigen Situation. Sie wollte eigentlich am Wochenende mit ihrer Tochter her kommen. Ich empfehle ihr das Stornierungsangebot des Reiseveranstalters zu nutzen. Auch wenn es für Touristen hier nicht wirklich gefährlich ist, muss man eine Ägyptenreise jetzt nicht riskieren. Außerdem sollen inzwischen alle Tempel und Grabanlagen geschlossen sein, weil ja größere Menschenansammlungen vermieden werden sollen.

Wir beobachten die Eastbank aufmerksam und entschließen uns am Nachmittag zu einem Stadtspaziergang. An der Fährstation fällt mir auf, dass einige Steine aus der Uferbefestigung heraus geschlagen worden sind. Diese Zerstörung hat aber nichts mit den aktuellen Unruhen zu tun - die Steine wurden genutzt, um bei dem niedrigen Nilstand den Zugang zur Fähre von den Treppenstufen aus zu erleichtern. In Luxor scheint alles ganz normal; die meisten Geschäfte sind wieder offen und auf den Straßen hat sich vieles in gewohnten Bahnen eingepegelt: die bettelnden Kinder sind wieder da, Motorboot- und Kaleschenfahrer nerven wie gewohnt. Trotzdem kaufen wir einige Lebensmittel auf Vorrat, falls es mit der Verpflegung schwierig wird. Auf unserem Spaziergang kommen wir wieder an demolierten Verkehrs- und Werbeschildern vorbei. Der Panzer steht gemeinsam mit einer Armeeeinheit noch immer vor dem Iberotel. Einer der Kaleschenfahrer beweist seinen Sinn für Humor, in dem er uns eine Stadtrundfahrt besonderer Art anbietet. Wir fotografieren heute etwas offensichtlicher, was uns aber wie erwartet schnell untersagt wird. An unserer Stellabar fährt ein Einsatzwagen der Armee vorbei; aus der offenen Dachluke schaut ein Soldat mit voller Montur und Schrotgewehr. Das Fahrzeug ist übersät mit Einschlagspuren, muss also vor kurzem einem Steinwurfhagel ausgesetzt gewesen sein.
Auf der Heimfahrt zur Westbank werden wir wieder mit einem romantischen Sonnenuntergang verwöhnt, der uns für einige Augenblicke all die Aufregung um uns herum vergessen lässt.
Meine Mutti ruft aus Deutschland an. Sie hat in den deutschen Medien gehört, dass bald auch das Funknetz unterbrochen werden soll. Die USA haben wohl schon begonnen, ihre Bürger zu evakuieren. Also fragen auch wir telefonisch bei unserem Reiseveranstalter an, ob wir früher als geplant nach Hause fliegen können. In einer Stunde sollen wir Nachricht kriegen.

Montag, 31.1.2011

Schon beim Aufwachen ist das Gefühl heute ganz anders als an den letzten beiden Tagen. Ein Blick von der Dachterrasse zeigt: es ist alles wieder ganz normal, so als wäre nie etwas anders gewesen. Die Polizei hat ihren Checkpoint wieder besetzt, das Treiben auf der Straße nimmt den alltäglichen Lauf, es liegt keinerlei Gereiztheit in der Luft und auch von den mit Messern und Stöcken bewaffneten Jünglingen ist keine Spur mehr. Diese Normalität ist fast schon wieder beunruhigend. Andreas nutzt die Gunst der Stunde, um mit dem Auto auf die Eastbank zu fahren. Bei einem Freund soll der Computer repariert werden und außerdem gehen unsere Biervorräte zur Neige. Auch er erzählt, dass alles wieder seinen gewohnten Gang geht; alle Geschäfte sind geöffnet, nur die Banken bleiben nach wie vor verschlossen.

Ich genieße den heutigen Tag lesend auf unserer Dachterrasse und sehe sogar die „Sudan“, den Schaufelraddampfer, auf dem für die Agatha-Christie-Verfilmung „Tod auf dem Nil“ gedreht wurde, vorbei schippern.

Trotz der heutigen Ruhe beschließt eine amerikanische Freundin, das Land zu verlassen. Ihr Problem ist nur, dass die Botschaft der USA ihre Bürger aus Kairo ausfliegt und es für sie keine Möglichkeit gibt, dorthin zu kommen. Meine Mutti ruft ganz besorgt aus Deutschland an und fragt, ob wir schon wissen, wann wir nach Hause kommen können. Nachdem der versprochene Rückruf des Reiseveranstalters gestern nicht eingetroffen ist (womit aber auch nicht wirklich jemand gerechnet hatte), versuche ich also noch einmal mein Glück. Die erste Information des jungen Mannes am anderen Ende ist heute, dass es keine Möglichkeit gibt, von Luxor aus zu fliegen; ich könnte es höchstens von Hurghada aus versuchen. Habe ich denn zurzeit die Chance, nach Hurghada zu kommen? Nein! Aha, das ist natürlich sehr hilfreich. Sein nächster guter Ratschlag ist, dass ich mich ja erkundigen könne, ob ich in der Maschine für diesen Donnerstag noch Plätze bekommen könnte. Ich meinte, genau deshalb würde ich ja anrufen. Ach so, dann darf ich ihm also unsere Vorgangsnummer nennen und er verspricht, mich morgen zurück zu rufen. Wir sind gespannt!

Dienstag, 1.2.2011

Obwohl heute zu großen Demonstrationen und einem Generalstreik aufgerufen worden ist, bleibt in Luxor alles ruhig. Die Fähre ist in Betrieb und auch die Motorboote sind unterwegs. Antje kommt – aber ohne neue Nachrichten. Die einzige Besonderheit, die sie beobachtet hat, ist, dass der wichtigste Checkpoint, an dem gestern noch jedes Auto vom Militär angehalten worden ist, ungewohnt schwach besetzt ist. Lediglich ein Touristenpolizist und ein Mann in Zivil halten sich hier auf, kümmern sich aber nicht um die Vorbeifahrenden. Unser Reiseveranstalter meldet sich natürlich nicht; aber wir erhalten einen Anruf von einem Botschaftsbeauftragten, der eine Liste von sich hier befindlichen Deutschen aufstellen soll. Er ist aber der Meinung, dass die Situation in Luxor sicher nicht so eskalieren wird wie die in Kairo, Suez und Alexandria, rechnet also nicht mit Evakuierungsplänen.

Klaus kommt mit der Information, dass es unsere amerikanische Freundin geschafft hat, mit der Egyptair nach Kairo zu kommen. Ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft hatte sie ohne Ticket und Sicherheitscheck einfach mit in seine Maschine genommen. So etwas geht in Krisenzeiten!! Während Klaus uns seinen Bericht vorliest, den er per Fax nach Deutschland schicken will, werden wir von einer Haschischwolke eingehüllt. Wahrscheinlich stammt diese von  dem Platz neben unserem Haus. Dort versammeln sich mehrere Kamelbesitzer der Umgebung. Wir können es kaum glauben: obwohl offiziell seit etwa einer Stunde Ausgangssperre besteht, kommt eine Ladung Touristen per Boot an und wird auf die Kamele oder auf Eselskarren verfrachtet.
Der benachbarte Polizeicheckpoint ist inzwischen wieder verlassen. Ein Armeefahrzeug mit bewaffneten Soldaten fährt vor, erweckt aber eher den Eindruck als hätten sie sich verfahren oder wollten einfach nur Präsenz zeigen. Jedenfalls sind sie schnell wieder weg.

Weil um uns herum wirklich gar nichts passiert, beschließen wir den Abend bei Klaus zu verbringen. Andreas wird fast verrückt, wenn er sich den ganzen Tag eingesperrt fühlt und freut sich darauf, das Haus zu verlassen. Es kommen noch einige Freunde und wir genießen ein wunderbares Abendessen. Auf dem Heimweg versuchen wir die letzten Vodafone-Handykarten zu erstehen. Hier macht sich gerade der erste Engpass bemerkbar. Und wir wollen doch mobil bleiben, um die Mama zu Hause auf dem Laufenden halten zu können.

Mittwoch, 2.2.2011

Klaus ruft an. Von der deutschen Botschaft hat er die Information erhalten, dass alle Linienflüge gestrichen worden sind. Deshalb wird jetzt überlegt, ob ein gesonderter Flieger die Deutschen aus Luxor ausfliegt und das Interesse gecheckt. Die meisten Deutschen, die hier leben, wollen aber gar nicht ausreisen. Wir werden uns jetzt auf den Weg zu unserem Reisebüro machen. Weil wir immer noch keinen der versprochenen Rückrufe erhalten haben, wollen wir jetzt persönlich nachfragen, welche Möglichkeiten es für uns gibt, das Land zu verlassen.

Das Reisebüro ist gar nicht besetzt – begründet wird dies damit, dass sich aktuell keine zu betreuenden Touristen in Luxor befinden. ????? Wir werden also wieder per Telefon mit den Mitarbeitern verbunden und sie versprechen auch wieder einmal, bald zurück zu rufen. In einem anderen Reisebüro erfahren wir wenigstens, dass Ellis Flugzeug morgen wie geplant starten soll.

Klaus ruft wieder an. Wir sollen morgen um 10.00 Uhr am Flughafen sein, um in einer der Maschinen mitzufliegen, die von der Deutschen Botschaft organisiert werden. Und dann erhalten wir doch tatsächlich den Rückruf unseres Reisebüros allerdings wieder mit der Information, dass wir nur von Hurghada aus nach Hannover reisen könnten. Wie wir dorthin kommen, wär allerdings unser eigenes Problem. Deshalb entschließen wir uns, morgen auf die Organisation der Botschaft zu hoffen. Das könnte zwar etwas teurer werden, ist mir in dieser Situation aber lieber als ein Trip durch die Wüste.

Es gibt wieder neue Nachrichten: ein Vertreter des Auswärtigen Amtes ist vor Ort und lädt heute Abend alle Deutschen zu einem Gespräch ins Winterpalace-Hotel. Er ist jung aber sehr kompetent und es gelingt ihm, viele der aufgebrachten Gemüter zu beruhigen. Während dieser Veranstaltung klingeln ständig Telefone - zwar störend, aber in dieser Situation sicher durchaus verständlich. Klaus wird von Elli angerufen - sie hat Nachricht vom Reiseveranstalter und wir sollen unbedingt schnell zurück rufen. Die Nachrichten sind gut - in dem morgigen Flugzeug von Luxor nach Nürnberg sind noch 2 Plätze frei, die wir für 100 Euro Umbuchungsgebühr kriegen können - ja, das wollen wir!!!! Der nächste Anruf: ohne weitere Preisaufschläge können wir sogar noch einen Anschlussflug nach Berlin Tegel buchen - das wollen wir natürlich auch!! Nächster Anruf: in einer Dreiviertelstunde kommt unser Reiseleiter zum Hotel Winterpalace und bringt uns die neuen Tickets. Das Problem ist nun, dass wir, weil wir ohne unsere Reisekasse unterwegs sind, keine 100 Euro dabei haben, die aber gleich bezahlt werden müssen. Die Vertreter des Auswärtigen Amtes und der General Manager des Winterpalace, mit dem wir seit dem letzten Sommer auch bekannt sind, können uns leider nicht weiter helfen. Nachdem aber unsere Freunde ihre Geldbörsen geleert haben, kommen wir auf 800 Ägyptische Pfund, die vom Reiseleiter akzeptiert werden. Mir fallen so viele Steine vom Herzen, dass ich mich plötzlich federleicht fühle. Mit dem Motorboot fahren wir zurück auf die Eastbank und trinken auf Ellis Terrasse ein Abschiedsbier. Natürlich zahlen wir auch gleich unsere Schulden zurück. Beim Abschied von den Freunden lassen wir uns nicht so bewusst werden, dass wir uns diesmal vielleicht für längere Zeit nicht mehr wieder sehen. Unsere Pläne für die nächsten Monate führen uns in die verschiedensten Teile der Welt. Zum Glück gibt es das Internet, um regelmäßig in Kontakt zu bleiben.

Donnerstag, 3.2.2011

Es funktioniert alles, wie geplant: Fahrt zum Flughafen, Flug nach Nürnberg, Weiterflug nach Berlin Tegel, Shuttle zu unserem Auto, Heimfahrt --> so sind wir von der Haustür in Luxor bis zu unserer so ziemlich genau 12 Stunden unterwegs. Das ist doch ok!!

nach oben


 

© Gaia-Percussion
Texte und Fotos unterliegen dem Copyright der Gaia-Percussion und dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Copyright-Inhabers an anderer Stelle verwendet werden.
Der Inhalt aller hier verlinkten Internet-Seiten und weiterführender Links liegt außerhalb unserer Kontrolle; wir übernehmen dafür keine Verantwortung.